Fachverbände gehen nach Ärzte-Bschiss-Bericht auf die Barrikaden
«Wir schützen keine schwarzen Schafe!»

Nachdem BLICK publik gemacht hatte, wie Ärzte Krankenkassen und Patienten hinters Licht führen, gingen die Wogen hoch. Nun wehren sich die Fachverbände.
Publiziert: 24.06.2019 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:05 Uhr
Nachdem BLICK gestern publik machte, dass einzelne Ärzte und Kliniken mit Bschiss-Rechnungen und Tricksereien die Prämienzahler jährlich um schätzungsweise 80 Millionen Franken betrügen, wehrt sich nun die Schweizerische Fachgesellschaft für Augenärzte (SOG).
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Sven Zaugg und Christian Kolbe

Die Wogen gehen hoch bei der Schweizer Ärzteschaft. BLICK machte am Montag publik, dass einzelne Ärzte und Kliniken mit manipulierten Rechnungen und Tricksereien die Prämienzahler jährlich um schätzungsweise 80 Millionen Franken betrügen. Vor allem der Fall einer Augenklinik im Grossraum Zürich, die Patienten und Krankenkassen überhöhte Preise verrechnete, sorgte für Aufsehen. Nun wehrt sich die Schweizerische Fachgesellschaft für Augenärzte (SOG).

Um überteuerte Rechnungen zu verhindern, hat die SOG laut Vorstandsmitglied Kristof Vandekerckhove bereits Massnahmen eingeleitet: «Als erste Fachgesellschaft der Schweiz hat die SOG mit allen Krankenversicherungen der Schweiz Pauschalverträge für die drei häufigsten und hierzulande kostenrelevantesten Operationen abgeschlossen.» Damit habe man Transparenz geschaffen.

Urs Stoffel, Zentralvorstand beim Ärzteverband FMH betont: «Wir schützen keine schwarzen Schafe!» Die FMH gehe aktiv gegen Verstösse vor, falls diese gemeldet werden. «Der Krankenkassenverband Santésuisse hat im Jahr 2016 knapp 0,3 Prozent der berufstätigen Ärzte in der Schweiz eingeklagt. Das sind 98 von 36’900 Ärzten. Verurteilt wurden deutlich weniger.»

Behörden müssten handeln

Die FMH schliesst daraus, dass die Mehrheit der Ärzte ehrlich und korrekt abrechne. «Als Sanktion kann die FMH auf vereinsrechtlicher Basis Bussen verhängen und Mitgliedschaften entziehen.» Für weitergehende Strafen sind dem Schweizer Ärzteverband jedoch die Hände gebunden. Stoffel spielt den Ball den Behörden zu: «Ein allfälliger Bewilligungsentzug bei renitenten Ärzten und Kliniken kann nur über die kantonale Gesundheitsdirektion erfolgen.»

Michael Jordi, Generalsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz, sagt: «Das Gesetz schreibt vor, dass der Arzt ein Diplom haben und auch vertrauenswürdig sein muss.» Darunter kann man laut Jordi auch die Rechnungslegung subsumieren. Mit anderen Worten: Trickst ein Arzt, ist er nicht vertrauenswürdig und verletzt somit seine Berufspflicht.

Der Katalog der Disziplinarmassnahmen für nachgewiesene Verletzungen der Berufspflichten beinhaltet: Verwarnung, Verweis, Busse bis zu 20'000 Franken und als schlimmste Massnahme ein Berufsverbot. Ob es wegen falscher Rechnungslegung bereits zu Berufsverboten gekommen ist, konnte Jordi gegenüber BLICK nicht sagen.

Genaue Prüfung obliegt den Kassen

In der Pflicht stehen vor allem die Kranken­kassen: Sie sind dafür zuständig, jede einzelne Rechnung zu prüfen. Pro Jahr werden deren 107 Mil­lionen eingereicht – von Patienten, Spitex, Rettungsdiensten, Physiotherapeuten, Arztpraxen und Spitälern. Im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung werden Rechnungen im Wert von drei Milliarden Franken wegen Verdachts auf Fehler besonders unter die Lupe genommen.

«Das Ziel muss grundsätzlich sein, dass der tricksende Arzt die ungerechtfertigten Kosten zurückerstattet», sagt Matthias Müller vom Krankenkassenverband Santésuisse. So wie im Kanton St. Gallen im letzten Jahr: Dort zahlte eine Psychiaterin, die aufgeflogen war, innerhalb von zwei Jahren insgesamt 950‘000 Franken an Santésuisse zurück. Sie hatte in beträchtlichem Ausmass zu hohe Arztzeiten pro Behandlungstag verrechnet.

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