Experte Urs Wagenseil über die Freundlichkeit im Schweizer Tourismus
«Schmäh kopieren wäre falsch»

Urs Wagenseil ist Tourismusprofessor an der Hochschule in Luzern. Im Interview mit BLICK redet er unter anderem über die hohen Ansprüche der Schweizer-Touristen und über das Personal in den heimischen Skigebieten.
Publiziert: 06.01.2015 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:07 Uhr
Interview: Andreas Schaffner

BLICK: Herr Wagenseil, sind Sie überrascht, dass viele BLICK-Leser die Leistungen in Schweizer Berggebieten als zu teuer und die Bedienung als unfreundlich empfinden?
Urs Wagenseil:
Ja und nein. Nein, denn was die BLICK-Leser schreiben, deckt sich auch mit Umfragen unter Touristikern.

Und wieso Ja?
Weil das Niveau nicht so schlecht ist, wie man das oft pauschal vernimmt. Und es sei hier auch die Frage erlaubt, wie freundlich sich denn der jeweilige Gast gibt.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Genau.

Wie kann man eigentlich Freundlichkeit messen?
Freundlichkeit und Gastfreundschaft sind sehr subjektive Empfindungen. Wir haben sehr hohe Ansprüche an die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen. Das gilt besonders auch in den Ferien.

Bei uns in der Schweiz wird kritisiert, dass unsere Wintersport-Gebiete teurer sind als im benachbarten Ausland.
Ja. Deshalb sind die Ansprüche besonders hoch. Das ist das Pech der teuren – und guten – Markenprodukte: Wären wir billiger, würden wir auch mehr Fehler zulassen.

Wieso sind wir nicht einfach billiger? In Österreich gibt es Ferienangebote für Familien, die kosten pro Woche 400 Euro.
Das geht schlicht und einfach nicht. Es ist eine ökonomische Tatsache, dass wir teurer sind. Das sind nicht Fantasiepreise von Fachleuten. Unsere gesamten Lebenshaltungskosten sind höher als im benachbarten Ausland.

Sind wir Schweizer also einfach zu kritisch mit unseren eigenen Skigebieten?
Das stimmt sicher auch. Schaut man in die anderen Länder, gibt es dort die genau gleichen Diskussionen und Kritiken. Mit dem eigenen Land ist man überall in der Welt einfach immer viel kritischer. In bereisten Ländern toleriert man immer mehr. Wir unterliegen dem Prozess, das Eigene häufig schlechter zu machen, als es ist.

Wie soll sich der Schweizer Tourismus verbessern?
Den eingeschlagenen Weg der stetigen und erhöhten Produktverbesserungen konsequent weitergehen. Qualitätsstrategien müssen auch wirklich umgesetzt werden. Zudem gilt es, der Personalentwicklung mehr Bedeutung zuzumessen. Kompetentes Personal ist meist auch motivierter und freundlicher.

Da kommen wir zu einem nächsten Ärgernis. Die mangelnden Sprachkenntnisse bei der Bedienung in den Bergen.
Das ist ein Wirtschafts- und ein Gesellschaftsproblem. Solange die allermeisten Berufstätigen in der Schweiz aus verschiedenen Jobalternativen auswählen können, entscheidet man sich für den lukrativeren Job. Ebenso muss die Schweizer Gesellschaft lernen, Jobs in der Gastronomie, im Transportwesen oder in der Hotellerie als attraktiv zu respektieren.

Wieso kann man nicht einfach mehr Schweizer einstellen?
Primär, weil die Schweizer diese Jobs nicht wollen. Das Phänomen, dass im Restaurant- und Hotelbereich viele Ausländer arbeiten, gibt es übrigens auch in Österreich. Internationalität per se ist ja nicht schlecht! Wichtiger als durch wen ist allerdings das Wie der Dienstleistung.

Noch die Gretchenfrage: Was müssen wir von den Österreichern lernen?
In Österreich hat die ganze Tourismusbranche einen höheren politischen und gesellschaftlichen Stellenwert. Wäre das hier gleich, wäre die Tourismusentwicklung einfacher. Und damit bestimmt in seiner Leistung noch besser. Schmäh zu kopieren wäre komplett falsch. Wir müssen unsere regionalen Eigenarten sympathisch und authentisch leben.

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