Exklusives BLICK Interview mit Mark Ineichen
«Für uns war Vater nie Papi, sondern auch einfach Otto»

2 Tage nach dem Tod von Otto Ineichen spricht sein Sohn Mark im BLICK.
Publiziert: 09.06.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:38 Uhr
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«Es war nicht so, dass wir jeden Tag mit ihm über seine Gesundheit diskutiert hätten.»
Foto: SABINE WUNDERLIN
Von Henry Habegger, Clemens Studer (Interview) und Sabine Wunderlin (Fotos)

BLICK: Herr Ineichen, herzlichen Dank, dass Sie sich in dieser schwierigen Phase Zeit nehmen für uns. Wir haben gehört, dass Sie mit Ihren Brüdern die Trauerfeier für Otto selbst organisieren.
Mark Ineichen:
Wir haben in der Familie darüber diskutiert, ob wir jemanden brauchen, der das organisiert. Aber wir müssen ja so oder so selbst über die Einzelheiten der Feier entscheiden.

Wir – die Familie?
Ja. Meine zwei Brüder und ich. Mutter und Jörg, der dritte Bruder, sind noch in den USA.

Ihre Mutter war in den USA, als Otto starb?
Ja. Jörg lebt seit 20 Jahren in den USA, meine Mutter geht ihn oft besuchen. Jetzt auch wieder. Und für sie war der Tod unseres Vaters darum natürlich zusätzlich schwierig. Aber wir hatten das Gefühl, es bringt auch nichts, wenn sie in den nächsten Flieger steigt und zurückfliegt. Sie kann hier leider auch nichts mehr ändern. Doch heute wird sie wieder hier sein.

Ihr Vater wäre gestern 71 Jahre alt geworden. Haben Sie seine Geburtstage jeweils gefeiert?
In der Regel ging die Familie zusammen essen, wenn jemand von uns Geburtstag hatte.

Wie waren die letzten Tage für Sie?
Es war hektisch. Der Ausdruck «business as usual» ist falsch, aber ich machte eigentlich das, was ich sonst auch oft mache: von morgens bis abends organisieren und improvisieren. Einfach in einem sehr traurigen Zusammenhang.

Hat die Familie damit gerechnet, Otto könne etwas passieren?
Nein. Wir wussten, dass er in Untersuchung ist, aber das war wirklich eine Routine-Untersuchung. Wir wussten, dass noch in Abklärung war, ob er zu einer weiteren Untersuchung müsste. Es war nicht so, dass wir jeden Tag mit ihm über ­seine Gesundheit diskutiert hätten.

Uns sagte er, er habe jetzt keine Zeit für eine Operation.
Er war für uns wie für Sie auch: überall und engagiert, und ­dazwischen ging er halt noch rasch diese Routine-Unter­suchung machen. Nach dem ­Motto: Sorgt euch nicht, Blumen müsst ihr mir sowieso ­keine bringen, morgen bin ich wieder da.

Er sprach nicht gern über seine Herzprobleme?
Nein. Er sagte, er müsse wohl operiert werden. Aber Bundesbern war ihm wichtiger.

Was war ihm zuletzt das Wich­tigste?
Sicher seine Projekte, die Politik. Denn alles, was hier in Sursee ist, was Otto’s ist, konnte er ohne schlechtes Gewissen in Ruhe lassen. Er war bei Otto’s seit zehn Jahren nicht mehr tätig. Er kam vorbei, sah, dass es lief, machte Witze, trank einen Kaffee. Aber hier hatte er keine Aufgabe mehr. Seine Sache waren seine Pro­jekte, war die Politik.

Wen er kannte, den rief er an. Immer unterwegs, um die Welt oder zumindest die Schweiz etwas besser zu machen.
Ja, er war ein grosser Kommunikator. Wir haben uns sogar überlegt, ihm sein geliebtes Handy mit in den Sarg zu legen. Aber dann haben wir entschieden: Es bekommt einen Ehrenplatz bei uns. Es wird uns immer an ihn erinnern.

Engagieren Sie sich künftig für ­Ottos Projekte?
Otto war auch für uns der Otto: Wir wissen nicht sicher, was es noch alles an Projekten gab, was er noch alles angerissen hat. Da werden wir sicher noch Überraschungen erleben. Ob es unsere Aufgabe ist, zum Beispiel Speranza weiterzuführen, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.

Wie war es, einen Vater zu haben, mit dem die ganze Schweiz per Du ist?
Es hatte wie alles zwei Seiten. Manchmal wurde man mit offenen Armen empfangen, erhielt alles, ohne erst fragen zu müssen. Und manchmal war es das genaue Gegenteil. Aber eine Belastung war es nie.

Sie haben vorhin gesagt: Für uns war er auch der Otto.
Er war wohl der Vater, aber nicht der Papi wie bei anderen. Er war der Otto. Mit all seinen Facetten.

Womit hat Otto Sie am meisten ­geprägt?
Mit seiner unermüdlichen Energie. Mochte eine Nachricht noch so schlimm sein, er sah immer etwas Positives. Nach dem alten Sprichwort: Das Glas ist immer halb voll, nie und nimmer halb leer. Was immer auch ist, mach das Beste daraus und gib nicht auf. Und wenn ein paar Leute ­sagen, das funktioniere nie und nimmer: dann erst recht!

Und Sie sind auch so?
Das denke ich, ja. Mich hat auch immer gereizt, das zu machen, wovon andere sagen, das geht nie. Schauen Sie aus dem Fenster: die Neuwagen von Otto’s Cars. Vor vier Jahren fingen wir an. Eine grosse Zeitung schrieb, das könne nie funktionieren. Heute verkaufen wir 1000 Autos im Jahr. Auf der anderen Seite haben wir Sachen wie Otto’s Home. Das hat nicht funktioniert. Was solls! Dann probieren wir das Nächste.

Sie haben 2001 Entschlossenheit gezeigt, als Sie die operative Verantwortung für die Firma übernahmen.
Als Kinder haben wir immer wieder erlebt, dass man nicht genau wusste, wer der Chef in der Firma ist – mein Vater oder meine Mutter. Das wollte ich nicht. Ich sagte: Ich mache alles, akzeptiere auch alles. Aber es muss gerade den Mitarbeitern klar sein, wer schliesslich entscheidet. Sonst kann man eine Firma nicht führen. Weil mein Vater und ich ähnliche Züge haben, gab es etwas ein Gerangel. Einer setzte sich durch, einer gab etwas nach.

Sie setzten sich durch, und Otto lancierte seine neue Karriere als Politiker.
Das machte es ihm sicher auch etwas einfacher loszulassen.

Und nachher hat er Ihnen nicht mehr dreingeredet?
(Lacht) Das war ein längerer Prozess, der nicht immer reibungslos verlief. Etwa als wir hier nebenan das Land für Otto’s Cars kauften und zu bauen anfingen. Da platzte er eines Morgens mit hochrotem Kopf ins Haus und schrie: Ihr merkt ja nicht mal, wenn euch einer das Land vor der Nase wegkauft und baut. Ich musste sagen: Entschuldige, ich habe es gekauft, vergass aber schlicht und einfach, es dir zu sagen. Er blieb aber hier präsent und ein Patron, obwohl er keine Aufgabe mehr hatte. Er war ja trotzdem da, ass mit den Leuten in der Kantine zu Mittag. Vor zwei, drei Wochen sass ich mit 15 Leuten im Sitzungszimmer. Er kam hinein, in gelben Velohosen, flüsterte mir etwas ins Ohr und ging wieder. So war er, das haben alle gewusst, und das war auch gut so.

Kam er als Politiker dem Unternehmen in die Quere?
Darum haben wir probiert, die Firma und ihn zu trennen. Er sagte etwas, was politisch richtig sein mochte, aber wir mussten auch an uns denken. Vor allem unsere Mitarbeiter in den Läden, die von Kunden angesprochen wurden.

Was hat Otto so getrieben?
Er wollte bewegen. Sah überall Dinge, die aus seiner Sicht falsch liefen. Da wollte er anpacken und helfen und es besser machen. Das war oft auch für mich schwierig. Ich hätte seine Hilfe zwar brauchen können, aber wenn man ihm etwas sagte, dann lief das natürlich (lacht)! Am nächsten Tag hatte er bestimmt einen Bundesrat am Telefon. Aber wir haben uns ideal ergänzt. Für die Gründerphase war sein Temperament ideal: wühlen, anreis­sen. Als die Firma grösser wurde, brauchte es Fähigkeiten, die eher ich hatte: etwas länger überlegen, eine Idee zuerst durchdenken. Für die Geschichte der Firma war die Kombination genial.

Die Zukunft von Otto’s ist gesichert?
Es ist mir wirklich ein Anliegen, dass gerade unsere Mitarbeiter wissen: Sie können beruhigt sein, die Firma ist in sicheren Händen. Die Nachfolge haben wir vor fünf Jahren schon geregelt. Die Firma gehört meinem Bruder Rolf und mir. Wir wissen ein eingespieltes Team hinter uns. Es wird weitergehen wie bisher. Es wird einfach leider nie mehr einer in gelben Velohosen in eine Sitzung platzen.

Wird der Name Otto’s bleiben?
Als ich das Operative übernahm, sagte meine Mutter: Ich rede dir nie drein, aber eines gibts nicht – das Logo rührst du nie an! Also ist klar: Das Logo bleibt.

Und das Konzept?
Konzepte muss man immer anpassen. Wir werden uns immer bewegen und verändern müssen. Das Schöne ist: Egal ob richtig oder falsch, wir können entscheiden, wir müssen nicht zehn Gremien fragen. Es ist unser Geld.

Was planen Sie als Nächstes?
Im Moment stossen wir sehr erfolgreich ins Segment Sportschuhe vor. Ein Traum von mir ist, in diesen Zigarettenkisten über der Kasse Medikamente zu verkaufen: Aspirin oder Panadol, einfach all die geläufigen Produkte.

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