Ex-Mitarbeiter packen aus
Sicherheit zu Dumping-Preisen

Private Sicherheitsunternehmen drücken die Preise mit Dumping-Angeboten. Das hat Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Angestellten – und auf die Sicherheit von Kunden und Öffentlichkeit.
Publiziert: 26.03.2017 um 10:07 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:57 Uhr
Ex-Mitarbeiter der St. Galler Sicherheitsfirma berichten von Arbeitseinsätzen, die krank machen. Ihren Ex-Arbeitgeber zogen sie deshalb vor Gericht.
Foto: Mirko Ries
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Cyrill Pinto

Die Sicherheitsbranche hat nicht den besten Ruf. Skandale wie jener um Argo 1 sind nicht eben dazu angetan, dieses Image zu korrigieren (siehe Box). Arnaud Bouverat kümmert sich bei der Gewerkschaft Unia um die Angestellten in der Sicherheitsbranche. Er weiss: «Es ist einfach, eine Sicherheitsfirma zu gründen. Es gibt auf schweizerischer Ebene keine Berufsbildung oder andere Voraussetzungen.»

Theoretisch sind die privaten Sicherheitsunternehmen ab zehn Angestellten dem Gesamtarbeitsvertrag der Branche unterstellt. Dieser sieht neben Mindestlöhnen und Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit auch minimalste Ausbildungsstandards vor. «20 Stunden Ausbildung sind eigentlich für jeden neuen Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma Pflicht», so Bouverat. Doch zu viele Firmen würden sich oft nicht daran halten: «Die Verantwortung für die Einhaltung dieser Standards liegt beim Arbeitgeber.»

Hinzu kommt: Selbst Firmen, die vorgeben, den GAV einzuhalten, missachten die Bestimmungen über Spesen und Arbeitszeiten. SonntagsBlick liegen entsprechende Beispiele vor.

Ruhezeiten nicht eingehalten 

So zeigen die Arbeitszeitabrechnungen mehrerer Mitarbeiter der Ostschweizer Sicherheitsfirma Verkehrsüberwachung Schweiz (VüCH): Das Sicherheitsunternehmen verletzte die Regelungen über die Ruhezeiten wiederholt in krasser Weise, wie sie im Gespräch mit SonntagsBlick sagen.

So stand einer der Mitarbeiter nach einem mehrstündigen Nachteinsatz bis morgens um 5 Uhr bereits um 10 Uhr wieder im Einsatz. «Die Ruhe- und Maximalarbeitszeiten werden bei der Firma nicht eingehalten – das können wir beweisen», sagen die Ex-Mitarbeiter – und belegen dies mit ihren Stundenabrechnungen.

Wegen der nicht eingehaltenen Ruhezeiten, der kurzfristigen Einsätze und der ständigen Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit wurde ein Ex-Mitarbeiter sogar krank. Zu diesem Schluss kam auch ein von der Sicherheitsfirma aufgebotener Vertrauensarzt, der eine Erschöpfung diagnostizierte. Es sei plausibel, dass die Schlafstörungen mit verschiedenen körperlichen Beschwerden wie Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit von der andauernden Arbeitsbelastung herrührte. Das Krankentaggeld, das ihm zustand, musste der Ex-Mitarbeiter trotzdem erst noch vor Gericht erstreiten. Andere Mitarbeiter der VüCH stehen mit ihrer Klage gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber erst am Anfang.

Dumping-Vertrag mit dem Kanton St. Gallen

Dabei ist die Firma für namhafte Auftraggeber und die öffentliche Hand im Einsatz. Zum Beispiel für das Bundesverwaltungsgericht oder den Kanton St. Gallen – teilweise zu Dumpingpreisen. Eine Leistungsvereinbarung zwischen der VüCH und dem Kanton St.Gallen, die SonntagsBlick vorliegt, zeigt: Für die Bewachung mehrerer Asylzentren im Kanton wurde ein Stundenhonorar von 37 Franken vereinbart. Selbst für Konkurrent Securitas sind Bewachungsaufträge zu ­einem Stundenansatz von unter 45 Franken «auffällig günstig», wie deren Sprecher Urs Stalder sagt.

Auch Arnaud Bouverat von der Unia kritisiert solche Dumping-Verträge. Diese seien das Hauptproblem für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Sicherheitsbranche. «Oft wird einfach die günstigste Offerte berücksichtigt. Man schaut nur auf den Preis, ohne dass man die Firma genauer anschaut.»

Martin Haueter von der VüCH sagt zu SonntagsBlick: «Bei der Erstellung der Angebote berücksichtigen wir die betriebswirtschaftlichen Aspekte, die Mindeststandards des GAV sowie die Entwicklungsstrategie des Unternehmens.» Zu den arbeitsrechtlichen Vorwürfen wollte sich die Firma nicht äussern.

Die schlechten Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Security-Firmen nur schwer gutes Personal finden. Firmen heuern deshalb auch Vorbestrafte an. Am Ende leidet die Sicherheit. In der Folge kommt es zu ­Gewaltausbrüchen von Security-Leuten: Erst im April wurden drei Sicherheitsleute in Basel verurteilt, weil sie einen renitenten Gast verprügelten. Und SonntagsBlick weiss von einem Angestellten eines Sicherheitsdienstleisters, der bei einem Kunden Feuer legte.

IS-Rekrutierer in der Dumping-Firma Argo 1

Ende Februar kam das Tessiner Sicherheitsunternehmen Argo 1 in die Schlagzeilen. Im Zuge von Terror-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurde einer seiner Mitarbeiter verhaftet. Der 36-jährige türkisch-schweizerische Doppelbürger soll Kämpfer für den IS rekrutiert haben. In den Tagen darauf wurde bekannt, dass auch gegen den Chef von Argo 1 ein Verfahren läuft – wegen Gewalt und Freiheitsberaubung gegenüber mindestens einem Asylbewerber. Vor Wochenfrist musste sich der zustän­dige Departementschef, Paolo Beltraminelli (55, CVP), im Tessiner Kantonsparlament er­klären. Er sagte aus, dass die Firma 2014 den Auftrag zur Bewachung der Asylunterkunft bekam – für 35 Franken pro Stunde.

Ende Februar kam das Tessiner Sicherheitsunternehmen Argo 1 in die Schlagzeilen. Im Zuge von Terror-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurde einer seiner Mitarbeiter verhaftet. Der 36-jährige türkisch-schweizerische Doppelbürger soll Kämpfer für den IS rekrutiert haben. In den Tagen darauf wurde bekannt, dass auch gegen den Chef von Argo 1 ein Verfahren läuft – wegen Gewalt und Freiheitsberaubung gegenüber mindestens einem Asylbewerber. Vor Wochenfrist musste sich der zustän­dige Departementschef, Paolo Beltraminelli (55, CVP), im Tessiner Kantonsparlament er­klären. Er sagte aus, dass die Firma 2014 den Auftrag zur Bewachung der Asylunterkunft bekam – für 35 Franken pro Stunde.

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