EZB senkt Leitzins auf rekordtiefe 0,0 Prozent
Folgt jetzt der nächste Frankenschock?

Die Europäische Zentralbank hat an ihrer heutigen Zinssitzung entschieden, den Leitzins auf ein neues Rekordtief von 0,00 Prozent zu senken. Der Markt wird neu mit 80 statt 60 Milliarden Euro monatlich geflutet. Was heisst das für uns Schweizer?
Publiziert: 10.03.2016 um 13:48 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:20 Uhr
EZB senkt Leitzins erneut
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Rekordtiefe von 0,0 Prozent:EZB senkt Leitzins erneut
Onur Ogul

Mario Draghi (68), Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), ist entschlossen. Die EZB senken den rekordtiefen Leitzins auf 0,00 Prozent. Zudem erhöht er das monatliche Kaufprogramm zur Flutung des Marktes mit Geld von 60 Milliarden auf 80 Milliarden Euro. Dies schon ab April.

Zudem erhöht die EZB den Strafzins für Banken, die ihr Geld bei ihr horten, von minus 0,3 auf neu minus 0,4 Prozent.

BLICK hat mit Thomas Stucki (52), Devisenexperte der St. Galler Kantonalbank, darüber gesprochen, was das für die Schweiz bedeutet.

Herr Stucki, haben wir mit dem heutigen Entscheid der EZB den nächsten Frankenschock?

Nein, das glaube ich nicht. Der Franken ist nach dem Entscheid leicht stärker geworden, aber das Ausmass wird bescheiden sein. Der Entscheid der EZB entsprach nämlich den Erwartungen.

Knapp zwei Stunden nach dem EZB-Entscheid ist der Franken wieder im grünen Bereich und lag bei 1.0984 (+0.13%).

Warum öffnet Mario Draghi weiter die Geldschleusen?

Zwei Gründe: Erstens ist man in Europa mit den Inflationserwartungen nach wie vor nicht zufrieden. Momentan ist die Teuerung sogar negativ, das heisst, Geld wird aufgewertet. Ziel der EZB ist es jedoch, eine Inflation von zwei Prozent zu erreichen, also das Geld wieder abzuschwächen. Zweitens stockt die wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Die Geldschwemme und damit die Schwächung des Euro soll die Wirtschaft, vor allem den Konsum, wieder beleben.

Ein Ende der Geldschwemme ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Wie weit kann Draghi dieses Spiel noch treiben?

Das kann er eigentlich bis ins Unendliche. Sowohl in der Menge des Geldes wie auch in der Dauer des Programms. Draghi könnte sogar zusätzlich Aktien aufkaufen, um den Markt zu stützen. Die EZB ist politisch unabhängig. Das heisst, Draghi kann so lange mit der Geldschwemme weiter machen, wie er die Entscheidungsträger innerhalb der EZB davon überzeugen kann.

Wer könnte denn etwas gegen dieses sogenannte Quantitative Easing (Flutung des Marktes mit Geld) einwenden?

Die Deutsche Bundesbank zum Beispiel. Sie ist grundsätzlich von der Massnahme des Quantitative Easing zur Stützung des Marktes nicht überzeugt. Faktisch finanziert die EZB damit ja europäische Staaten. Damit ist die Deutsche Bundesbank nicht ganz glücklich.

Dr. Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St. Galler Kantonalbank
Foto: St. Galler KB

Die bisher getroffenen Massnahmen in Sachen QE sind ja schon seit über einem Jahr in Kraft. Haben sie bisher ihre Wirkung verfehlt?

Verfehlt haben sie ihre Wirkung nicht, aber der Effekt war zu schwach. Das Wachstum in Europa ist ja beispielsweise grösser als jenes der Schweiz. Doch vor allem in Sachen Inflationsrate hat das QE seine Wirkung noch zu wenig gezeigt. Die Dosis war offensichtlich zu schwach.

Wie wird die SNB nächste Woche auf den Entscheid der EZB reagieren?

Solange der Franken nicht markant teurer gegenüber dem Euro wird, wohl gar nicht. Ich spreche hier von einer Toleranzgrenze von 1.08 Franken pro Euro. Solange dieser Wert nicht deutlich unterschritten wird, stützt die SNB den Franken wohl mit Devisenkäufen. Erst wenn dieses Mittel nicht mehr ausreicht, um diese Marke zu halten, kommen Zinsanpassungen in Frage.

Kann man davon ausgehen, dass die SNB im Vorfeld des Zinsentscheids schon kräftig mit Devisenkäufen den Franken geschwächt hat?

Die Nationalbank hat in den letzten Monaten wahrscheinlich immer wieder etwas nachgeholfen. Genau weiss man das aber nicht

Was bedeutet der heutige Entscheid für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten?

Solange der Euro nicht unter 1.08 Franken fällt, spürt das der Konsument nicht gross. Sollte die SNB jedoch die Strafzinsen für Banken, die ihr Geld bei ihr horten, doch noch erhöhen, dann würden auch Zinsen von Obligationen einbrechen. Pensionskassen etwa hätten es dann noch schwieriger, anständige Renditen zu erzielen.

Drohen dann Bankkunden Negativzinsen auf ihren Sparkonten?

Selbst wenn die SNB die Strafzinsen erhöhen sollte, glaube ich nicht, dass die Banken ihre Kunden damit belasten würden.

Ist die heutige Schwächung des Euros ein Problem für Unternehmen?

Auch für Unternehmen spielt die magische Grenze von 1.08 Franken pro Euro. Wird die deutlich unterschritten, dann stünden wir wieder vor derselben Situation wie bei der Aufhebung des Mindestkurses vor einem Jahr. Das heisst, Aufträge wären gefährdet und die Margen würden leiden.

Es sieht so aus, dass sich die SNB auf einen inoffiziellen Mindestkurs von 1.10 Franken eingeschossen hat. Täuscht der Eindruck?

Die Nationalbank versucht, den Franken zum Euro stabil zu halten. Von einem inoffiziellen Mindestkurs würde ich aber nicht sprechen

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