ETH-Professor Hans Gersbach (57) berät die deutsche Regierung
«Bargeld ist gemünzte Freiheit»

ETH-Professor Hans Gersbach hat für die deutsche Regierung ein Gutachten zu Bargeld erstellt. Sein Fazit ist klar: Bargeld abzuschaffen, ist der falsche Weg. Dennoch dürfte die Schweiz unter Druck kommen – vor allem wegen eines Geldscheins.
Publiziert: 11.05.2017 um 21:13 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:18 Uhr
1/2
ETH-Professor Hans Gersbach hat für die Regierung von Angela Merkel ein Gutachten zu Bargeld verfasst.
Foto: zVg
Interview: Guido Schätti

BLICK: Herr Gersbach, wie gefällt Ihnen die neue 20er-Note?
Hans Gersbach:
Ich finde sie sehr ansprechend. Mir gefielen aber auch die alte Serien sehr gut, in denen Köpfe im Zentrum standen.

Schweizer haben ein besonders inniges Verhältnis zum Bargeld. Woher kommt das?
Es sind vor allem zwei Gründe: Bargeld wird als gemünzte Freiheit besonders hoch geschätzt bei uns. Dasselbe gilt für das Recht, als unbescholtener Bürger Zahlungen zu tätigen, ohne dabei kontrolliert zu werden. 

Sind wir Weltmeister im Gebrauch von Bargeld? 
In Europa liegen wir zusammen mit Deutschland ganz weit vorne. Dies vor allem im Vergleich mit skandinavischen Ländern. Auch im Vergleich mit den USA nutzen wir Bargeld viel intensiver.

Fast überall können wir heute mit Kreditkarten oder Handy bezahlen. Warum zücken wird trotzdem so gerne das Portemonnaie? 
Bargeld hat viele Vorteile. Zahlungen sind einfach und sofort endgültig. Leistung und Gegenleistung geschehen simultan. Bargeld ist robust gegen technische Fehler, und es erlaubt eine bessere Selbstkontrolle. Dazu kommt, dass Barzahlungen anonym sind und die Persönlichkeitsrechte am besten schützen.

Weil Bargeld keine Spuren hinterlässt, wird es auch von Kriminellen genutzt wird. Spricht das gegen Bargeld?Nur auf den ersten Blick. Die Abschaffung von Bargeld würde die Kriminalität nicht spürbar vermindern. Auch gesetzliche Obergrenzen für Bartransaktionen bringen wenig im Kampf gegen Geldwäscherei. Kriminelle finden andere Wege. Die Vorstellung aus Kriminalfilmen, Kriminelle würden mit Geldkoffern in der Gegend herumlaufen, ist überholt. 

Besonders unter Verdacht, von Kriminellen missbraucht zu werden, steht die 1000-Franken-Note.
Es gibt Hinweise, aber keine belastbaren Beweise, dass die 1000er-Note für kriminelle Zwecke missbraucht wird. Aber natürlich wird es auch in der Zukunft internationalen Druck auf die Schweiz geben, die grossen Noten abzuschaffen. 

Die Nationalbank hält an der 1000er-Note fest. Zu Recht?
Die Nationalbank hat das Recht und den Ermessensspielraum, an der 1000er-Note festzuhalten. Mit ihr können grössere Bargeldzahlungen sehr einfach und kostengünstig durchgeführt werden. Ich begrüsse deshalb die Haltung, die 1000er-Note weiterhin zu drucken. Man würde es aber auch akzeptieren, wenn die SNB irgendwann zum Schluss käme, die 1000er-Note nicht mehr zu drucken. Das wäre kein Angriff auf das Bargeld.

Hätten wir heute Negativzinsen für Kleinsparer, wenn es kein Bargeld mehr gäbe? 
Mit grosser Wahrscheinlichkeit, ja.

Ist Bargeld also ein Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür und Enteignung?
Absolut. Ich kann das nur unterstreichen. Bargeld ist nicht nur gemünzte Freiheit, sondern auch gedruckter Schutz.

Wie lange wird es Bargeld noch geben?
Genau lässt sich das nicht sagen. Auf jeden Fall noch lange, selbst dann, wenn der Gebrauch weiter zurückgeht.

ETH-Professor Hans Gersbach (57) ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums und hat die kürzlich veröffentlichte Studie «Zur Diskussion um Bargeld und die Nullzinspolitik der Zentralbank» mitverfasst.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.