BLICK: Herr Fäh, wie beurteilen Sie das Ampelsystem Nutri-Score?
David Fäh: Nutri-Score hat zwar mehr Abstufungen als frühere Ampeln, die in der Schweiz diskutiert wurden. Aber die Schwäche bleibt: Es ist immer noch eine starke Vereinfachung. So wird beispielsweise Energie von Kohlenhydraten negativ bewertet.
Wo ist das Problem?
Die Energiedichte allein sagt nichts aus über den Verarbeitungsgrad und die Zusammensetzung. Unverarbeitete Nüsse und Olivenöl haben beispielsweise viele Kalorien, aber sie sind gesundheitsförderlich. Hingegen kann ein stark verarbeitetes Lebensmittel – mit Trockenfrüchten, Nahrungsfasern und Eiweiss zugesetzt – einen guten Nutri-Score erreichen, auch wenn es ernährungstechnisch ein minderwertiges Produkt ist.
Wieso kommen die Ampeln jetzt?
Ich bin skeptisch, wenn solche Bewertungen von Lebensmittelkonzernen aus kommen. Sie befürchten wohl, dass die Konsumenten die Produkte ohne gute Ampelbewertung kritischer hinterfragen und meiden, hoffen umgekehrt vielleicht, dass ein nach der eigenen Bewertung als gesund bewertetes Produkt mehr Absatz findet.
Braucht es überhaupt Nahrungsmittelampeln?
Am sinnvollsten wäre es, die Benotung von Lebensmitteln zu vergessen und weniger verarbeitete Produkte zu konsumieren oder aber, dass der Gesetzgeber Hersteller dazu zwingt, die Rezeptur anzupassen. Ich begrüsse es, dass die Schweiz bei diesem Thema abwartet.
Wo sehen Sie Risiken?
Eine Benotung, aber auch Besteuerung führt dazu, dass die Hersteller die Rezepturen ändern. Sie verwenden weniger Salz möglicherweise aber mehr künstliche Süssstoffe. Eine Benotung im grünen Bereich heisst aber nicht automatisch, dass ein Produkt gesund ist – gerade bei verarbeiteten Produkten.