Marode Erb-Villa wird für 2,9 Millionen versteigert
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Nach heftigen Tumulten:Marode Erb-Villa wird für 2,9 Millionen versteigert

Er gab den Zuschlag zu früh
Das sagt der Erb-Villa-Versteigerer zum Auktions-Chaos

Die Villa Wolfensberg der Familie Erb in Winterthur hat einen neuen Besitzer. Die hektische Versteigerung wird vielen wegen eines denkwürdigen Fauxpas des Versteigerers in Erinnerung bleiben. Es war erst seine zweite Versteigerung in dieser Funktion.
Publiziert: 22.02.2020 um 18:03 Uhr
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Aktualisiert: 23.02.2020 um 17:04 Uhr
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Weil kein Käufer gefunden wurde, versteigert das Konkursamt die geschichtsträchtige Villa.
Foto: Philippe Rossier
Fabio Giger, Dorothea Vollenweider und Patrik Berger

Eigentlich sollte der Versteigerer nicht im Zentrum einer Auktion stehen, sondern für einen reibungslosen Ablauf der Versteigerung sorgen. Doch als am Donnerstag die Villa Wolfensberg, der ehemalige Sitz der Familie Erb, unter den Hammer kam, waren urplötzlich alle Augen auf den Auktionsleiter Simeon Bertschinger gerichtet.

Was war passiert? Seit einer halben Stunde bieten mehrere Interessierte für die Villa mit. Über 30 Gebote treffen ein. Bei 2,6 Millionen Franken gibt der Versteigerer nach einigen Augenblicken dem Höchstbietenden den Zuschlag. Dann wird es laut im Casinotheater Winterthur: Das Publikum reklamiert lautstark. Der Versteigerer hat noch nicht «zum Dritten» gerufen!

«Klar war ich etwas nervös»

Diesem ist der Fauxpas sichtlich peinlich. Ratlosigkeit macht sich breit. Die Stimmung ist aufgeheizt, droht zu kippen. Der Vorstehende der Versteigerung schreitet ein, gibt dem Publikum recht: Auch er hat vor dem Zuschlag kein «zum Dritten»-Ruf gehört. Einige hektische Minuten später fällt der Entscheid: Das Notariat nimmt die Auktion nochmals auf.

Nach der Versteigerung mit Hindernissen sagt Simeon Bertschinger zu BLICK: «Das war erst meine zweite Versteigerung, klar ist man da etwas nervös.» Mitbietende und Publikum verwirrte die Aktion. Auktions-Zuschauer Rasom Georges aus Winterthur sagt: «So etwas darf nicht vorkommen! Ich habe schon an einigen Versteigerungen teilgenommen, aber so etwas habe ich noch nie erlebt!»

Gewinner könnte Panne einklagen

Nichtsdestotrotz: Der Notariats-Neuling macht weiter. 20 Gebote nach dem Unterbruch ging die Villa schliesslich für 2,9 Millionen Franken ins Inventar der Winterthurer Immobilienfirma Leemann + Bretscher über. Diesmal fielen die zwei entscheidenden Worte: «… zum Dritten». «Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern konnten wir zu einem erfolgreichen Ergebnis kommen», zeigt sich der Versteigerer nach der Auktion sichtlich erleichtert.

Eigentümer Robert Hofer ärgert es, dass er den Zuschlag nicht schon bei 2,6 Millionen Franken erhalten hat. «Mir ist es wichtig, dass das Anwesen in Winterthurer Händen bleibt», sagt er. Was Hofer damit mache, wisse er noch nicht. Seine Frau habe ihm gesagt, er solle den Mist bloss nicht kaufen.

Robert Hofer, neuer Besitzer der Erb-Villa und Inhaber von Leeman + Bretscher, hätte theoretisch die Möglichkeit, die Panne während der Versteigerung einzuklagen. Damit erhielte er die Villa möglicherweise 300'000 Franken günstiger, nämlich für 2,6 Millionen. Das war sein letztes Angebot vor dem Versteigerungsfehler. Beobachter räumen einer Klage jedoch wenig Erfolgschancen ein.

Käufer ist zur Instandsetzung der Villa verpflichtet

Das Geld könnte Hofer allerdings gut gebrachen: Das gesamte Anwesen ist in höchstem Grad sanierungsbedürftig. Zum letzten Mal wurde die Villa 1956 umgebaut. Die Verkaufsdokumentation des Anwesens zeigt auf, wie hoch die Kosten sind, die nun auf den Käufer zukommen: Rund 830'000 Franken kostet die obligatorische Instandsetzung des geschützten Terrassengartens.

Für die gesamten Aussenanlagen samt Swimmingpool kommen laut Schätzungen weitere 1,74 Millionen Franken dazu. Die Erneuerung von Werkleitungen und Wasserfassung werden sich auf mindestens 600'000 Franken belaufen.

Die Vergangenheit der Villa Wolfensberg

Die Villa Wolfensberg hat eine bewegte Vergangenheit. Erbaut wurde sie 1937 von Kurt Schoellhorn (1894–1966), Spross der Haldengut-Brauerei-Dynastie. Hugo Erb hatte das Anwesen damals gekauft, weil er den eingesessenen Winterthurer Familien zeigen wollte, dass er auch einer von ihnen ist. 2003 ging das undurchsichtige Imperium der Erbs in Konkurs. Die Gruppe hinterliess über sechs Milliarden Franken Schulden. Nach dem Konkurs der Swissair ist das bis heute die zweitgrösste Firmenpleite der Schweiz. Am 8. April 2017 wurde Rolf Erb (†65) von seiner Lebenspartnerin im Schloss Eugensberg in Salenstein TG tot aufgefunden. Er starb laut Obduktionsbericht an Herzversagen. Nur wenige Tage später hätte der Winterthurer wegen Betrug und Urkundenfälschung sieben Jahre ins Gefängnis müssen. Bereits versteigert wurden das Schloss Eugensberg, eine Oldtimer-Sammlung und mehrere Liegenschaften in Winterthur. (pbe)

Die Villa Wolfensberg hat eine bewegte Vergangenheit. Erbaut wurde sie 1937 von Kurt Schoellhorn (1894–1966), Spross der Haldengut-Brauerei-Dynastie. Hugo Erb hatte das Anwesen damals gekauft, weil er den eingesessenen Winterthurer Familien zeigen wollte, dass er auch einer von ihnen ist. 2003 ging das undurchsichtige Imperium der Erbs in Konkurs. Die Gruppe hinterliess über sechs Milliarden Franken Schulden. Nach dem Konkurs der Swissair ist das bis heute die zweitgrösste Firmenpleite der Schweiz. Am 8. April 2017 wurde Rolf Erb (†65) von seiner Lebenspartnerin im Schloss Eugensberg in Salenstein TG tot aufgefunden. Er starb laut Obduktionsbericht an Herzversagen. Nur wenige Tage später hätte der Winterthurer wegen Betrug und Urkundenfälschung sieben Jahre ins Gefängnis müssen. Bereits versteigert wurden das Schloss Eugensberg, eine Oldtimer-Sammlung und mehrere Liegenschaften in Winterthur. (pbe)

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