Bundesanwalt Michael Lauber hat heute als Zeuge die Strategie der «Fokussierung» auf Dieter Behring vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verteidigt.
Der 61-jährigen Behring soll gemäss Anklageschrift zwischen September 1998 und Oktober 2004 gewerbsmässig Anleger betrogen haben. Die rund 2000 Geschädigten sollen insgesamt 800 Millionen Franken verloren haben.
Verteidiger wirft Bundesanwalt Amtsmissbrauch vor
Im Anschluss an die Befragung Laubers überraschte der Privatverteidiger Bruno Steiner mit einem unerwarteten Schritt: Er erstatte Anzeige gegen Bundesanwalt Lauber und den Staatsanwalt des Bundes Tobias Kauer wegen Amtsmissbrauchs, mehrfacher falscher Anschuldigung und Irreführung der Rechtspflege.
Gemäss Steiner wurde das Anklageprinzip verletzt. Er schoss dabei scharf gegen die Bundesanwaltschaft: Bei der Verfahrenseinstellungen gegen die neun Mitbeschuldigten habe es sich um «systematisch betriebenen Amtsmissbrauch» gehandelt.
Die Anklageschrift sei «mit klarer Absicht» von Mittätern gereinigt worden. Wer so ungeheuer laut anklage und dann klamm heimlich die Anklageschrift säubere, mache sich verdächtig, so Steiner.
Bundesanwalt verteidigt Vorgehen
Der Vertreter der Bundesanwaltschaft wies diese Anschuldigungen zurück. Alle Beteiligten - auch Behring - seien umgehend darüber informiert worden, dass gegen die neun Mitbeschuldigten Einstellungsverfügungen erlassen wurden.
Zwei Punkte hätten wesentlich dazu geführt, dass er sich in seiner Funktion als Bundesanwalt näher mit dem Fall Behring beschäftigte, sagte Michael Lauber in der Befragung am Montagvormittag: Die lange Verfahrensdauer und die Verteidigungssituation.
Das Verfahren habe seit 2004 gedauert. Deshalb sei im Sinne des «Beschleunigungsgebots» eine Lösung gesucht worden. Der amtliche Verteidiger Roger Lerf habe aus diesem Grund nicht aus seinem Amt entlassen werden können, auch wenn das Vertrauensverhältnis zum Mandanten gestört gewesen sei, sagte Lauber.
Dies sei in einer Verfügung geregelt worden, die vom Gericht geschützt wurde. Ziel sei es gewesen, zumindest eine «Sockelverteidigung» zu gewährleisten.
Fokussierung sei «nichts Aussergewöhnliches»
Lauber ging in der Befragung ausserdem näher auf die Phase der sogenannten «Fokussierung» auf den Beschuldigten Behring ein. Vorher hatte die Bundesanwaltschaft gegen zehn Beschuldigte ermittelt.
Zur Neubeurteilung kam es nach der Analyse des Falls durch eine Task Force. Die damit verbundene Verzögerung sei für eine faire Neubeurteilung gerechtfertigt gewesen, erklärte der Bundesanwalt.
Gemäss Lauber sei die Fokussierung auf Behring im Frühjahr 2013 umgesetzt worden. Es sei nichts Ausserordentliches, in einem Betrugsfall so zu verfahren. Er sei heute noch der Überzeugung, dass dies rechtens sei. Entwürfe zu einer Anklageschrift lagen laut Lauber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor.
War Behring genügend verteidigt?
Die Privatverteidiger legten den Schwerpunkt in ihren Fragen dagegen auf die in ihren Augen mangelhafte Verteidigung durch den amtlichen Verteidiger. Mehrfach fragten sie Lauber, was ein Verteidiger aus Sicht des Bundesanwalt leisten muss.
Dieser konnte darauf keine Antworten geben, da beim Fall Behring «spezielle Umstände» geherrscht hätten. Nur die Verfahrensleiter könnten gemäss Lauber dazu spezielle Auskünfte geben.
Entscheidung bis morgen Vormittag
Die Privatverteidiger forderten deshalb am Montag vor Gericht, dass die zwei zuständigen Verfahrensleiter ebenfalls im Zeugenstand erscheinen.
Laut dem vorsitzenden Richter wird das Bundesstrafgericht bis am Dienstagmorgen entscheiden, ob das Verfahren weitergehen soll. Falls ja, wird mit der Befragung Behrings fortgefahren. (SDA)