Es ist ein Klassiker. Kaum zeigen sich am globalen Konjunkturhimmel die ersten Schlechtwetterwolken, dann lässt ein Starker seine Muskeln spielen. Der starke Franken wird noch stärker! In den letzten Tagen hat die Schweizer Währung gegenüber dem Euro wieder deutlich zugelegt, ist vorübergehend gar auf ein Zweijahrestief gefallen. Ein Euro ist gerade mal noch etwas mehr als 1.11 Franken wert.
Der Schweizer Franken ist als sicherer Hafen für Investoren derzeit hoch im Kurs. Denn die Weltwirtschaft schwächelt, vielerorts werden die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Der Grund: US-Präsident Donald Trump (72) trampelt mal wieder, will Mexiko mit neuen Zöllen disziplinieren. Eine Lösung im Handelsstreit mit China rückt in weite Ferne. All das könnte das Wachstum in den USA bremsen.
Europäische Wirtschaft kühlt sich ab
Das FED sorgt vor, sollte die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten, erklärt Felix Brill (39), Ökonom und Anlagechef bei der VP Bank in Liechtenstein: «Die US-Notenbank hat schon mal den Rettungsreifen für die US-Wirtschaft ins Blickfeld gerückt. Eine Zinssenkung in den USA noch in diesem Jahr ist nicht mehr völlig ausgeschlossen.» Dabei galten die Amerikaner bis vor kurzem als die ersten, die den Ausweg aus der ultralockeren Geldpolitik gefunden haben.
Diesen Ausweg werden die Europäer noch länger suchen. Vor Mitte 2020 ist nicht mit steigenden Zinsen im Euro-Raum zu rechnen. Das heisst, der Leitzins bleibt bei Null, die Banken bezahlen Negativzinsen auf ihre Einlagen bei der EZB. Schlechte Nachrichten für diejenigen, die auf einen schwächeren Franken hoffen. Die Aussichten sind alles andere als rosig: «In Europa deuten die jüngsten Daten darauf hin, dass die Wirtschaft schwächelt», erklärt Brill. «Die wirtschaftliche Erholung ist nicht nur ins Stocken geraten, es gibt sogar Anzeichen für eine tiefergehende Abkühlung.»
Zustupf für die Sommerferien
Das ist die Ausgangslage für die geldpolitische Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank in einer Woche. «Wir können die Zinsen weiter senken», sagte SNB-Präsident Thomas Jordan (56) kürzlich zu BLICK. Ob die Nationalbank tatsächlich so weit gehen könnte, das bezweifelt Brill: «Bei den Negativzinsen bewegen wir uns in einem Grenzbereich. Spielraum nach unten gibt es eigentlich keinen.» Und nach oben schon gar nicht, solange sich die EZB nicht bewegt.
Das heisst, der Franken könnte seine Muskeln noch mehr spielen lassen, noch stärker werden. Ein Kurs von 1.10 Franken zum Euro ist realistisch. Immerhin: Der starke Franken macht die Sommerferien im Euro-Raum ein klein wenig billiger.