Ich habe es doch wieder getan. Vor zwei Jahren schrieb ich nach einem Skiurlaub in der Schweiz einen Essay mit der Überschrift: «Nie wieder Wengen!» Zu teuer, zu veraltet, nicht mehr wettbewerbsfähig. Das war mein Fazit.
Wengen stirbt
Und doch hat es mich dieses Jahr wieder in dieses Kleinod auf einem Felssims im Berner Oberland gezogen. Die Behaglichkeit der Hütte mit Kamin, die Dreifaltigkeit aus Eiger, Mönch und Jungfrau, die perfekte Bahnanbindung an Berlin – ich war rückfällig geworden. Und ich bereue nichts.
Aber der Eindruck hat sich verfestigt: Der Verfall geht weiter. Wengen stirbt. Fünf grosse Hotels stehen zum Verkauf. Deshalb: Die Schweiz muss etwas tun.
Schweiz muss sich zwischen Instant-Gästen und Naturliebhabern entscheiden
Sie muss sich entscheiden: Zwischen den arabischen, indischen und asiatischen Instant-Gästen, die in grossen Gruppen auf den Titlis oder das Jungfraujoch fahren, in ungeeigneten Schuhen staunend und giggelnd durch den Schnee schlittern – und am Abend schon am Eiffelturm oder dem Brandenburger Tor ihren Europatrip fortsetzen.
Diese Stundengäste also – oder europäische Skifahrer, Bergsteiger, Naturliebhaber, denen dann aber auch eine moderne Infrastruktur in möglichst grossem Einklang mit der Natur geboten wird. Die mehr erfordern an Investitionen. Dafür aber auch länger bleiben und mehr bringen. Hier liegt die strategische Grundsatzentscheidung.
Atemberaubendes Panorama alleine reicht nicht
Es muss diese grandiose Kulisse zusammenkommen mit einem exzellenten Service. Mit einem Angebot in einer einzigartigen Qualität, für die die Schweiz als Marke weltweit steht. Die Schweiz, das ist wie Deutschland – nur einen Tick besser und exklusiver. Pittoreske Orte und atemberaubendes Panorama alleine reichen nicht.
Ein Tipp vielleicht noch: Den Gast gern haben. Willkommen heissen. Mögen. Und ihn das auch spüren lassen. Frau Wegmüller in Wengen, die Taxifahrerin, die von Herzen so ist. Aber wer in Mürren zum Beispiel ein Zimmer sucht, könnte leicht auf den Gedanken kommen, der Ortsname leite sich vom Adjektiv «mürrisch» ab.
Vielleicht war das aber nur Pech des Augenblicks. Nächstes Jahr fahre ich jedenfalls wieder nach Wengen.
Christoph Schwennicke (51) ist Chefredaktor des politischen Magazins «Cicero». Er lebt in Berlin.