Es gehört zu den Ritualen der Schweizer Politik: Alle paar Jahre schliesst ein Bundesrat eine Preisrunde mit der Pharmabranche ab. Die Medikamente würden um 700, 240 oder 150 Millionen Franken billiger, heisst es danach. Doch in der Statistik ist nichts davon zu sehen: Kostete ein Medikament vor 15 Jahren im Schnitt 104 Franken, sind es heute 211 Franken.
Laut dem Kassenverband Santésuisse hat dies zwei Gründe: Die Pharma-Industrie setzt bei neuen Medis höhere Preise durch. Zudem bringt sie zunehmend Präparate für seltene Krankheiten auf den Markt. Für diese darf sie höhere Preise verlangen.
«Unseriös und plakativ»
Doch der Pharma-Verband Interpharma widerspricht der Darstellung. Die Berechnung von Santésuisse sei «unseriös und plakativ», so Interpharma-Sprecherin Sara Käch. Für einen fairen Vergleich müssten die Medikamente nach Umsatz gewichtet werden. Sonst werde der Durchschnittspreis nach oben verzerrt.
Tatsächlich ist die Preissteigerung laut Käch geringer: Demnach ist der Median-Preis der Durchschnittspackung seit 2003 von 38 auf 45 Franken gestiegen. Das ist zwar noch immer ein Plus von 18 Prozent, aber deutlich weniger als die 104 Prozent, welche Santésuisse ins Feld führt. «Von einer Verdoppelung der Preise kann also nicht die Rede sein», sagt Käch.
Anteil an Gesamtkosten ist gesunken
Zudem blende Santésuisse therapeutische Fortschritt aus. Neue Medikamente seien teurer als ältere Medikamente, weil sie einen medizinischen Fortschritt brächten. Käch: «Wenn dank einem neuen, aber vielleicht teureren Medikament ein Patient schneller wieder arbeiten kann, dann ist das gut investiertes Geld, das zu Einsparungen an anderen Orten des Gesundheitswesens und anderer Sozialversicherungen führt.»
Auch Interpharma hat Statistiken, welche ihre Sicht stützt. Gemäss Landesindex der Konsumentenpreise sind die Medikamentenpreise in der Schweiz seit 2003 um über 30 Prozent gesunken. Auch der Anteil der Ausgaben für Medikamente an den Gesundheitskosten hat seit 2003 deutlich abgenommen.
Auch das BAG widerspricht Santésuisse
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stellt die Aussagekraft der Santésuisse-Statistik ebenfalls in Frage. Zwar sei es richtig, dass die Medikamentenpreise in der Onkologie, Rheumatologie und bei der Behandlung von Hepatitis C gestiegen seien. Dort seien aber Arzneimittel zur Behandlung von Krankheiten entwickelt worden, für die es bisher keine oder nur eingeschränkte Therapiemöglichkeiten gegeben habe.
Der Durchschnittspreis pro Packung der Arzneimittel der Spezialitätenliste sei bezüglich Kosten jedoch keine aussagekräftige Zahl, sagt BAG-Sprecherin Michaela Kozelka. Pro versicherte Person sei der Kostenanstieg im Arzneimittelbereich über die letzten Jahre eher gering. Tatsächlich: Von 2009 bis 2015 stiegen die Medikamentenkosten pro Kopf um gerade mal 31,80 Franken oder 5,7 Prozent (siehe Grafik).
Weitere Preisrunden geplant
Laut Kozelka hat das BAG in den Jahren 2012 bis 2014 die Arzneimittelpreise überprüft und die Preise von 1500 von etwa 2500 Arzneimitteln der Spezialitätenliste gesenkt. Dies entspreche einem Volumen von rund 600 Millionen Franken. Diese Überprüfung werde 2017 wieder aufgenommen. Der Bundesrat rechnet bis im Jahr 2019 mit weiteren Einsparungen von insgesamt rund 180 Millionen Franken.