Der Kunde kann in vielen Supermärkten die Produkte selbst scannen und bezahlen. Und er selbst wird auch schon gescannt! Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, werden in 40 Filialen der deutschen Supermarktkette Real die Gesichter der Kunden an der Kasse gefilmt. Je nachdem, wer ansteht, werden auf dem Bildschirm in der Kassenzone Werbespots entsprechend dem Alter und Geschlecht des Kunden gezeigt.
Stünden etwa fünf Männer an der Kasse, dann spiele die Software Werbung des Autohändlers in der Nähe der Real-Filiale ab, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Warteten dagegen Frauen an der Kasse, laufe ein Filmchen des Blumenhändlers nebenan.
Deutsche Post testet Scans von Kundengesichtern
Verantwortlich für den Gesichtsscan ist die Firma Echion aus dem deutschen Augsburg. Die Technik nennt sich Adpack und stammt von dem Berliner Unternehmen Indoor Advertising (IDA). Die Deutsche Post hatte die Technik vor kurzem in 25 Partnerfilialen getestet – Papeterien und Getränkemärkte mit Postschalter.
Echion lässt alle Anfragen von BLICK unbeantwortet – bezüglich Datenschutz, nach Geschlechterklischees orientierter Werbung oder Kooperationen mit Schweizer Detailhändlern.
Klangduschen und Blumenduft
Doch auch in der Schweiz werden schon Gesichter von Kunden analysiert. Allerdings nicht für spezifische Werbung, sondern fürs Kundenerlebnis. Denn wer sich beim Einkaufen wohlfühlt, der kauft gern und mehr.
Das Unternehmen Advertima hat hier eine Nische gewittert. Die St. Galler Firma analysiert nicht nur Alter und Geschlecht, sondern auch Kleidungsstil, Mimik, Gestik und Ausdruck.
Um dem Kunden ein spezifisches, angenehmes Gefühl zu vermitteln, wählt eine Software Musik und Lautstärke aus, die ihn gezielt mit sogenannten Sound Showers (Klangduschen) beschallt. Ausserdem kann das Licht gedimmt oder ein Video eingespielt werden. Wenn der intelligente Algorithmus zu dem Schluss kommt, dass der Kunde genau jetzt gern Blumenduft hätte, dann duftet es auch so.
Banken nutzen die Analyse von Advertima
Die Software kommt schon in Bern, Zürich und St. Gallen zum Einsatz, wie CEO Iman Nahvi (31) erklärt. Mit wem Advertima genau zusammenarbeit, will Nahvi nicht verraten. Nur so viel: Man mache verschiedenste Pilotversuche, unter anderem mit «bekannten Retailern und Banken».
Wie funktionieren Düfte und Klänge aber, wenn mehrere Kunden beisammen stehen? Was, wenn eine Frau mit Blüemlikleid neben zwei Jungs mit Hip-Hop-Shirts steht? Gibt es dann Gangsta-Rap mit Veilchenduft?
«Die Algorithmen entscheiden, wie ein Mensch entscheiden würde»
«Unsere Algorithmen können genau in solchen Situation die richtigen Entscheidungen treffen», ist sich Nahvi sicher. Es werde immer die Anzahl Menschen maximiert, die positive Erlebnisse erhalten. Seine Intelligenz spiele dann Erlebnisse aus, «die die Gruppe an sich ‹glücklich› macht».
Das sei etwa so, als würde ein Marketingexperte vor Ort die Kunden begutachten und dann sofort entscheiden, was diese gerade brauchten. «Die Algorithmen entscheiden, wie ein Mensch entscheiden würde», erklärt Nahvi.
Sein Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr: Advertima hat bei einem Wettbewerb an der Konferenz World Web Forum den Preis «Coolstes Start-up 2017» gewonnen.