Die Bilder aus dem Dok-Film «Taste The Waste» haben unsere Leser bewegt. Studien sagen, dass etwa ein Drittel unserer Lebensmittel unverbraucht im Müll landet. Was kann man dagegen tun?
Daniela Rondelli: Jedes Glied in der Warenkette – Produzent, Detailhändler und Konsument – muss sich der Problematik bewusst werden und die Verantwortung für seinen Teil übernehmen. Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden.
Nun sagt der Verkäufer, dass der Konsument bis Ladenschluss volle Regale wolle. Und der Produzent sagt, der Verkäufer wolle nur die schönsten Kartoffeln. Wie sollen wir da eine Lösung finden?
Man muss aufhören, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wir sind uns nicht bewusst, welchen Preis wir dafür zahlen, dass bis Ladenschluss frische Ware in allen Variationen in den Gestellen liegt.
Als Konsequenz müssten wir auf das breite Angebot verzichten.
Wenn ich in der Bäckerei bei mir um die Ecke fünf Minuten vor Ladenschluss ein Brot kaufe, hat es bestenfalls noch zwei halbe Pfünderli im Gestell. Das ist auch gut so, denn es landet auf diese Weise fast nichts im Abfall. Auch die Grossverteiler sollten es wagen und das Angebot beschränken.
Was glauben Sie, wie die Konsumenten reagieren würden?
Sie würden es verstehen, wenn sie sich gleichzeitig bewusst wären, dass ansonsten sehr viel weggeworfen wird. Wenn dieses Bewusstsein nicht entsteht, reklamieren sie. Unsere Gesellschaft ist zu sehr verwöhnt.
Ihre Organisation sammelt von den Detailhändlern überschüssige Lebensmittel ein und verteilt sie an Bedürftige. Eigentlich profitieren Sie ja vom Überfluss.
Ich warte auf den Tag, an dem es uns nicht mehr braucht. Dann hätten wir das Problem des Überflusses und der Armut gelöst.
Wissen Sie eigentlich, was Sie nicht an Lebensmitteln erhalten?
Nein. Wir haben keinen Anspruch auf die Ware der Detailhändler. Sie entscheiden, wie viel sie uns geben wollen. Einzige Bedingung: Das Verbrauchsdatum darf nicht überschritten sein. Derzeit erhalten wir rund 14 Tonnen pro Tag. In den letzten Jahren wuchs diese Menge jeweils zwischen 10 und 16 Prozent.
Der Dok-Film «Taste The Waste» war in Deutschland und Österreich sehr erfolgreich. Wie erklären Sie sich, dass er bei uns noch nicht angelaufen ist?
Darüber müssten Sie mit dem Regisseur reden.
Coop hat sich offenbar dafür eingesetzt, dass der Verein «Tischlein deck dich» die Vorpremiere des Films wieder absagte. Was sagen Sie dazu?
Kein Kommentar.
Wieso? Weil Coop neben «Tischlein deck dich» auch die Schweizer Tafel sponsert und beliefert?
Nein, sondern weil ich die Hintergründe nicht kenne.
Kritiker sagen, die Schweizer Tafel und «Tischlein deck dich» dienten dem Detailhandel als Feigenblatt.
Wir sind viel mehr als Imagepflege. Neben dem Geld – Coop unterstützt uns beide mit je 250000 Franken jährlich – investieren auch die Migros und mehrere Discounter viel Arbeit in die Sortierung und den Transport. Es ist ihnen ein grosses Anliegen, die Lebensmittel an Bedürftige weiterzugeben.