Ende der 60er-Jahre erschloss die damalige PTT, Vorgängerin der heutigen Swisscom, auch die letzten Schweizer Haushalte mit einem Telefonkabel. Seither haben auch die Alpen ein Telefon.
50 Jahre später sägt die Swisscom an dieser Errungenschaft. Ab nächstem Jahr ersetzt sie das alte analoge Netz durch ein digitales. Der Abbau betrifft zuerst vor allem das Mittelland, allerdings sind auch schon Bergregionen im Jura oder Kanton Glarus betroffen.
Schweizweit gefährdet der Swisscom-Umbau den Anschluss von rund 150 Alp- und bis zu 40 SAC-Hütten an die Zivilisation.
Bei einem Notfall gibts Probleme
Ihr Problem: Sie liegen in einem Funkloch und haben keinen Strom. Während sich analoge Telefone aus der eigenen Leitung mit Strom speisen, ist das mit digitaler Technologie nicht möglich. Eine teure externe Stromquelle würde zum Muss. Zum Beispiel eine Anbindung ans Netz oder einen Generator.
BLICK besucht einen Betroffenen auf der Alp Ausser Mittelberg im Berner Oberländer Diemtigtal. «Es darf nicht sein, dass die Situation nächstes Jahr schlechter sein könnte als vor 50 Jahren», sagt David Mani (46). Zwar hat er anders als die meisten Älpler wenigstens ein kleines bisschen Solarstrom – aber der ist unzuverlässig. «Stellen Sie sich vor, ich habe einen Herzinfarkt und das Wetter ist seit Tagen schlecht. Ich könnte nirgends um Hilfe rufen.»
Weil eine zuverlässige Stromquelle praktisch zur Pflicht wird, ist ein Zwist entbrannt: Die Swisscom ist der Meinung, trotz Leistungsauftrag nicht für die Stromquelle aufkommen zu müssen. Die Älpler dagegen finden, dass die Swisscom die Kosten abwälzt und den Service public ritzt.
Die Swisscom schätzt den Aufwand pro Hütte im Schnitt auf rund 5000 Franken. «Viele Alpbetreiber können es sich nicht leisten, den Aufbau einer eigenen Stromversorgung zu bezahlen», sagt Jörg Beck (48), Geschäftsführer des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands. «Wir sind ganz und gar nicht einverstanden, dass die Swisscom die Kunden auf den Kosten sitzen lassen will.»
Gefahr der Zweiklassengesellschaft
Thomas Egger (49), Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, sieht die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft: «Dass alle Haushalte und Unternehmungen ans Netz angebunden sind, ist Teil der Schweizer Identität, unseres Zusammenhalts. Die Swisscom muss für die Umstellung der Telefonanlagen auch in den Alphütten und SAC-Hütten besorgt sein, sonst nimmt sie ihren Service-public-Auftrag nicht wahr.»
Die Swisscom verteidigt sich: Man halte sich an den Auftrag, den die Grundversorgung vorgibt, sagt ein Sprecher. «Die Stromversorgung ist nicht Teil dieses Auftrags. Eine allfällige entsprechende Erschliessungspflicht würde dem jeweils lokal zuständigen Verteilnetzbetreiber obliegen.»
Könnte man nicht die analogen Anschlüsse für die Alpen so belassen und sie einfach ins digitale Netz einspeisen? «Es wäre wenig sinnvoll, zwei parallele Infrastrukturen zu betreiben. Wir kontaktieren aber alle Betroffenen und begleiten sie auf dem Weg zu einer Lösung.»
Die Forderungen der Parteien sind auch Taktik: Sie werden in den nächsten Monaten versuchen, zusammen einen gangbaren Weg zu finden. Klappt das nicht, bleibt den Älplern der politische Weg.
Selbst wenn noch nichts entschieden ist, ist Älpler Mani besorgt: «Wenn ich am Schluss mehrere Tausend Franken zahlen muss, fühle ich mich betrogen.»