Die Gewerkschaften geben den Tarif durch. «150 Franken mehr Lohn für harte Arbeit auf dem Bau!», fordern Unia und Syna. Der Bauwirtschaft gehe es gut, die Gewinne würden steigen. «Eine Lohnforderung von 150 Franken ist darum vernünftig», so der Tenor.
Die Arbeitgeber hingegen warnen. Philipp Bauer, Chefökonom des Arbeitgeberverbands, befürchtet, dass sich die Konjunktur stark verlangsamt: «Die Aussichten haben sich eingetrübt.» Europa komme nicht recht vom Fleck, wodurch die Exporte gebremst würden. Die Debatte über die Zuwanderung verunsichere. «Das ist Gift für die Investitionen.»
Unabhängig vom Auf und Ab der Wirtschaft gibt es eine goldene Regel: «Die Löhne steigen langfristig etwa im Gleichschritt mit der Produktivität», sagt der BAK-Basel-Ökonom Michael Grass (40). Das sei in den letzten 30 Jahren in der Schweiz immer so gewesen.
Für Arbeitnehmer heisst das: Nur wenn sie mehr Wert in ihrer Arbeitszeit schaffen, können sie auch mehr Lohn herausholen. Sonst werden sie zu teuer.
Nach dieser Regel sind die Bauarbeiter in den letzten Jahren entschieden zu kurz gekommen (siehe Grafik unten). Sie haben zwar jedes Jahr schneller und besser gearbeitet. Für 2008 bis 2013 bescheinigt ihnen die Statistik, pro Jahr um über zwei Prozent produktiver geworden zu sein. Das ist Schweizer Rekord! Banker, Berater oder Chemiker konnten bei weitem nicht mithalten.
Aber die Löhne der Büezer nahmen nicht einmal um ein Prozent pro Jahr zu. Davon frass noch die Teuerung einiges weg. So hatten Bauarbeiter Ende 2013 nicht viel mehr in der Lohntüte als 2008. Jetzt hätten die Büezer gemäss goldener Regel ein Plus von acht Prozent verdient. Auf 4000 Franken wären das 320 Franken mehr Lohn.
Ganz anders als den Bauarbeitern erging es den Bankangestellten. Ihre Produktivität fiel jedes Jahr im Schnitt um 1,5 Prozent. Damit lagen sie weit unter den anderen Branchen. Dennoch erhielten sie jährliche Lohnerhöhungen von über einem halben Prozent. Über die Jahre tat sich so eine grosse Lücke auf: Knapp zehn Prozent zu viel Lohn haben die Banker gemäss der goldenen Regel kassiert.
Dass die Löhne in der Bankenbranche trotz Produktivitätsrückgang nicht stärker unter Druck kamen, sei wenig erstaunlich, sagt Grass: «Löhne zu kürzen, ist in allen Branchen schwierig.»
Die Banken stellten in den letzten Jahren zwar Tausende von Mitarbeitern auf die Strasse. Jene die bleiben konnten, mussten aber nicht darben: «In Krisen versuchen Unternehmen, die Leistungsträger zu halten», so Grass. Sonst gehe zu viel Know-how verloren, das später für teures Geld ersetzt werden muss.
Unia-Chefökonom Beat Baumann sieht sich bestätigt durch die Zahlen. «Wir wollen dieses Jahr im Bau eine kräftige Erhöhung.» Nach einigen mageren Jahren sei dies nun an der Zeit. In Branchen wie dem Gastgewerbe gebe es hingegen wenig Spielraum. «Die Produktivität steigt nicht so stark.»
Bei Banken und Unternehmens-Beratern hält Baumann die oberen Kader für überbezahlt. «Wenn da die Löhne unter Druck geraten, ist das nicht weiter schlimm.»