Devisen-Experte zu den Folgen für Schweizer
«Brexit ist nicht das Ende der Welt»

BLICK hat mit Thomas Stucki (52), Devisenexperte der St. Galler Kantonalbank, darüber gesprochen, was der Brexit für die Schweiz bedeutet.
Publiziert: 24.06.2016 um 13:43 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 11:35 Uhr
Devisen-Experte Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank.
Foto: ING
Interview: Ulrich Rotzinger

Herr Stucki, was sind die unmittelbaren Folgen des Brexit?
Thomas Stucki:
Die unmittelbaren Folgen haben vor allem die Briten selber zu tragen. Viele Handelsverträge sind nicht mehr gültig, da sie mit der EU und nicht mit Grossbritannien abgeschlossen worden sind.

Spielt es eine Rolle, dass der effektive Austritt aus der EU erst in zwei oder noch mehr Jahren erfolgen wird?
Nein, das spielt dabei überhaupt keine Rolle.

Was passiert jetzt?
Viele Firmen überlegen sich jetzt, ob sich Investieren im Königsreich noch lohnt. Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt ist nun ja unsicher.

Laut Wirtschaftsdachverband Economiesuisse trifft der britische Volksentscheid auch die Schweiz unmittelbar. Inwiefern?
Für die Schweiz geht es um die Verhandlungen über die Masseneinwanderungsinitiative mit der EU. Diese ist auf der Agenda nach hinten gerutscht. Und dann spielt natürlich der Frankenkurs eine grosse Rolle. Unsicherheit in Europa treibt ihn tendenziell nach oben. Ein teurer Franken ist das grösste Risiko für die Schweizer Konjunktur.

Steht uns der nächste Frankenschock bevor?
Der Franken ist kurz teurer geworden, ein Franken-Schock war dies aber nicht.

Dr. Thomas Stucki, Chief Investment Officer der St. Galler Kantonalbank
Foto: St. Galler KB

Warum ist es kein Frankenschock?
Die Schweizerische Nationalbank SNB hat bereits mit Käufen von Euro eingegriffen, was die Schockwellen gedämpft hat. Entscheidend sind aber die nächsten Wochen.

Kann man davon ausgehen, dass die SNB bereits heftig interveniert?
Ja, das hat die SNB auch kommuniziert. Ich bin überzeugt, dass sie das weiterhin tun wird.

Inwiefern wir die SNB nun an den Negativzinsen schrauben? Diese erhöhen?
Solange die EZB keine Zinssenkung vornimmt, wird auch die SNB die Negativzinsen nicht weiter erhöhen. Im aktuellen Marktlärm würde eine solche Aktion wirkungslos bleiben und den Franken nicht schwächen.

Was bedeutet der Brexit für Schweizer Konsumenten?
Sollte der Franken stärker werden, werden Importgüter billiger.

Jetzt wird für uns wieder alles billiger. Machen uns die Briten nicht ein fantastisches Geschenk vor den Sommerferien?
Vor den Sommerferien schon, aber bereits in den Herbstferien kann es ganz anders aussehen.

Drohen jetzt den Bankkunden Negativzinsen auf den Sparkonten?
Nein. Falls die SNB den Negativzins nochmals erhöhen muss, nimmt diese Gefahr zu. Aber mit dem Freibetrag für die Banken hat sie einen Puffer eingebaut, der unabhängig vom Zins funktioniert.

Inwiefern ist der heutige Brexit ein Problem für Schweizer Unternehmen?
Für exportorientierte Unternehmen ist eine rasche Frankenaufwertung ein Problem, falls sie länger andauert.

Täuscht der Eindruck, oder wird es die SNB nun schwer haben, einen inoffiziellen Eurokurs von 1.10 Franken aufrecht zu halten?
Die Marke von 1.10 Euro/Franken war am Markt vor allem eine psychologisch wichtige Marke. Diese wird nicht so schnell erreicht. Für den Moment ist ein Kurs über 1.08 aber durchaus im Rahmen des Möglichen und auch eine Erleichterung.

Geht jetzt die Welt unter?
Die Welt wird nicht untergehen und der Brexit bedeutet auch nicht das Ende der EU. Die Turbulenzen an den Märkten werden noch andauern, an den Währungsmärkten länger als bei den Aktienmärkten.

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