SonntagsBlick: Herr Fäh, wie bleibt man 26 Jahre lang cool?
Edwin Fäh: Carhartt ist wie Levi's – eine ganz starke Marke. Nicht jede Marke hat eine solche Geschichte. Was Levi's mit dem Western-Hemd ist, ist Carhartt für Workwear, Kaputzenpullis und Parkas. Diese Originale kriegt man nicht tot.
Reicht das?
Wir wollen nahe an der Szene sein. Wir sponsern Künstler, Sprayer, haben unser eigenes Skate-Team. In Weil am Rhein haben wir eine eigene Gallerie. So bleiben wir jung und in der Szene.
Carhartt ist wie Levi’s ein Klassiker aus den USA. Levi’s war die Marke der Cowboys, Ölbohr- und Schienenbau-Arbeiter bevorzugten die Stoffe von Carhartt. 1889 von Hamilton Carhartt gegründet, ist das Unternehmen seit vier Generationen im Familienbesitz; es wird nicht an der Börse gehandelt. 1989 ging die damals in Europa kaum bekannte Marke eine Partnerschaft mit dem Basler Edwin Fäh ein. Seit 1996 darf er eigene Entwürfe in Lizenz produzieren. Alle Carhartt-Designs aus der Schweiz müssen jedoch von den Amerikanern abgesegnet werden. Die Zusammenarbeit bezeichnet Fäh als «freundschaftlich und fair».
Carhartt ist wie Levi’s ein Klassiker aus den USA. Levi’s war die Marke der Cowboys, Ölbohr- und Schienenbau-Arbeiter bevorzugten die Stoffe von Carhartt. 1889 von Hamilton Carhartt gegründet, ist das Unternehmen seit vier Generationen im Familienbesitz; es wird nicht an der Börse gehandelt. 1989 ging die damals in Europa kaum bekannte Marke eine Partnerschaft mit dem Basler Edwin Fäh ein. Seit 1996 darf er eigene Entwürfe in Lizenz produzieren. Alle Carhartt-Designs aus der Schweiz müssen jedoch von den Amerikanern abgesegnet werden. Die Zusammenarbeit bezeichnet Fäh als «freundschaftlich und fair».
Gibt es keine Verwechlungen mit Carhartt USA?
Es kommt schon mal vor, dass in New York ein Arbeiter in unseren Laden reinläuft und fragt, warum die Latzhose 150 Dollar statt 29 Dollar kostet. Dann erklären wir das. Wir bieten ja auch bessere Qualität und schöneres Design. Derzeit diskutieren wir, ob wir das Logo leicht ändern sollen. Mit neuen Farben, um uns abzuheben.
Carhartt ist eine Männermarke. War eine Frauenlinie nie ein Thema?
Wir haben eine kleine Frauenlinie. Aber die orientiert sich stark an den Männern. Vor 20 Jahren war es noch einfacher, als die Frauenmode androgyner war. Aber seit die Mädchen nur noch so enge Jeans anziehen, die fast wie Strumpfhosen aussehen, passt das nicht mehr zu uns.
Sie sind eine globale Marke, aber der Hauptsitz ist immer noch Basel. Weshalb?
Basel ist ein interessanter Standort. Unser Lager ist in Weil am Rhein in Deutschland. Das hat steuerliche Gründe. Wenn wir die Kleider in die Schweiz einführen würden, müssten wir nochmal Zoll bezahlen und das würde alles verteuern. Zudem ist das Elsass mit dem Textil-Knowhow nahe. Das gibt es in der Schweiz gar nicht mehr. Schweizer Mädchen wollen designen. Aber nicht lernen, wie man ein Hemd technisch entwirft und näht.
Wie oft sind sie eigentlich in Basel?
Mein Büro ist in Weil am Rhein. Meine Frau arbeitet in Basel. Wir haben es aufgeteilt: Sie macht das Design. Ich mache Verkauf, Marketing und Logistik.
Wie ist das, wenn man zu zweit eine Ehe und ein Unternehmen mit 1300 Angestellten führt?
Als Geschäftsmann leidet das Private sowieso. Da spielt es keine Rolle, ob die Frau auch noch im Betrieb arbeitet (lacht). Ausserdem sind unsere Aufgaben strikt getrennt. Sie arbeitet mit ihrem Designteam von zehn bis vier ohne Mittagspause, und dann hat sie frei. Dann will ich sie nicht noch belästigen, wenn uns in einem Land wieder einmal der Umsatz abgestürzt ist.
Ihr ganze Karriere haben Sie in der Modebranche gemacht. Ist es nicht auch eine traurige Branche?
Traurig? Wieso?
Zum Beispiel wegen den teils unvorstellbaren Arbeitsbedingungen in den Kleiderfabriken.
Klar. Doch nehmen sie Bangladesh. Das Land kam extrem in Verruf. Wir produzieren teilweise auch dort. Es gibt auch hervorragende Betriebe dort, mit Schulen und Spitälern. Wir suchen nur solche Fabriken aus. Menschen werden auch in Europa ausgenutzt. Etwa in der Landwirtschaft. Das macht einen traurig. Darauf können nur die Politiker eine Antwort finden.
Gehen Sie selbst in die Fabriken, die für Sie produzieren?
Ja! Wir haben ja eine eigene Fabrik mit 600 Angestellten in Tunesien, wo wir alle unseren Hosen herstellen. Dort bin ich sicher sechs Mal jährlich. Und ich besuche alle unsere Fabriken mindestens ein Mal im Jahr.
Wie stellen Sie sicher, dass es nicht zu Missbrauch kommt?
Wir haben ein eigenes Team für Soziale Verantwortung, das alles überwacht. Zudem sind wir zertifiziert. Wir arbeiten mit strengen, unabhängigen Organisationen zusammen. Die gehen unangemeldet in die Fabriken. Wenn die kommen, müssen wir alles offenlegen. Überstunden, Lohnauszahlungen, Notausgänge. Ein Fabrikeinbruch wie in Bangladesh könnte es bei uns sowieso nicht geben.
Warum nicht?
Wir haben uns verpflichtet, nicht in Fabriken zu produzieren, die mehrstöckig ist.
Heute kann man Jeans für 30 Franken kaufen. Wie geht das?
Das ist für mich auch ein Wunder. Und es geht noch billiger. Primark aus Irland bietet Hosen für 9 Franken an. Das sind ganz billige Stoffe. Die Fabrikanten haben das Wasser bis zum Hals und machen dann halt mit, auch wenn sie nichts verdienen.
Ist der Konsument zu geizig?
Das kann man nicht so sagen. Bei uns verdient der Durchschnittsbürger ja noch anständig. Aber gehen Sie nach Spanien oder Italien. Da verdient man 800 Euro brutto und soll dann noch dem Sohn oder der Tochter Geld für Markenkleider geben? Dort können wir nur die besser verdienenden ansprechen.
Sie pendeln zwischen Fabriken in der Wüste und der Glitzerwelt in den Metropolen. Wie geht das zusammen?
Klar, es sind Welten zwischen Paris oder New York und einem koreanischen Industriebetrieb. Aber das ist leider heute so mit der Globalisierung. Die Produktion findet ja nicht einmal mehr in Europa statt. Man hat das alles kaputt gemacht.
Beschäftigt Sie das?
Ja! Ich bin eigentlich ein Gegner der Globalisierung. All die Millionen Jobs die vernichtet wurden. Die werden nicht durch bessere ersetzt. Gleichzeitig ist Europa nicht fähig, neue Jobs zu schaffen. Zu viele Bedingungen und Gesetze. Die Folge: Die Leute werden wert- und arbeitslos.
Was ist das Problem?
Europa ist überreguliert! Die EU ist ein Wasserkopf, der Milliarden an Kaufkraft absaugt. Dann kommt die Digitalisierung dazu. Und nicht jeder ist gemacht, um ein Unternehmer oder Informatiker zu sein. Viele wären gute Handwerker, aber diese Jobs gibt es nicht mehr. Da habe ich auch kein Rezept.
In der Modewelt gibt es viele Stars. Sie aber kennt man vor allem in der Szene. Gehen Sie dem Scheinwerferlicht aus dem Weg?
Das ist ganz einfach das Basler Understatement. Ich wohne schon seit 63 Jahren hier. In Basel hat man keine Bentleys oder Ferraris. Und wenn, dann stehen sie in der Garage (lacht).
Etwa bei Ihnen?
Nein nein, ich fahre einen Citroën C6.
Die Kleiderbranche verändert sich extrem. Es wird immer häufiger online gekauft. Shoppen Sie bei Zalando?
Nein, aber ich bin auch «old school». Ich gehe lieber in Läden. Aber ich wäre nicht böse, wenn meine Frau oder meine Tochter dort einkaufen würden. Zalando verkauft ja auch unsere Kleider.
Sie haben weltweit rund 70 Läden. Haben die eine Zukunft?
Ja, unsere Stores laufen sehr gut. Nicht in der Schweiz, da haben wir verloren wegen dem starken Franken (lacht). Aber die Ladenbesitzer müssen halt innovativer werden. Online gibt es immer irgendwelche Aktionen. Black Friday, Cyber Monday, was weiss ich. Das machen die Einzelhändler zu wenig. Sie müssten 10-Franken-Gutscheine an jeden Kunden verteilen, damit sie wieder kommen.
Setzen Sie auf neue Geschäfte?
Ja, wir haben einen Partner in Dubai gefunden. Wir eröffnen neue Shops in Dubai, Saudi Arabien und Kuwait.
Sie sagten mal, Ihnen sei gesund leben wichtiger als Erfolg im Geschäft. Stimmt das?
Wir machen rund 150 Millionen Jahresumsatz. Die Banken sagen uns immer, wir sollen dabei 10 Prozent Nettogewinn machen. Gerne! Aber doch nicht mit Würgen und Brechen. Oder Leute auf die Strasse stellen. Ich habe in 26 Jahren Carhartt noch nie Leute entlassen.
Wie lange bleiben Sie noch Chef von Carhartt?
Gute Frage! Bis sich der Nachfolger präsentiert.
Ihre Tochter vielleicht?
Nein, ich glaube nicht, dass sie Interesse hat. Sie studiert Kunstgeschichte und Englisch, wobei sie mehr Interesse an Englisch hat. Sie müsste wohl einen Schwiegersohn bringen (lacht laut). Aber ich bin schon am schauen. Ich würde gerne den CEO mal abgeben. Ich glaube, mein Nachfolger wird Deutscher sein.
Warum?
Wir haben in Berlin ein neues Gebäude gekauft. In zwei Jahren zügelt das Design und Online-Shop dorthin. Für uns spielt die Musik in Berlin.
Dann verliert die Schweiz Carhartt?
Nein nein, der Hauptsitz wird immer in der Schweiz bleiben. Uns ist wohl hier. Aber wir können hier nicht ausbauen. Das liegt auch am starken Schweizer Franken.