Das müssen ÖV-Kunden über das neue Entschädigungsregime wissen
Bald gibts Bares für Verspätungen

Das könnte ganz schön teuer werden. In gut einem Jahr dürften auch in der Schweiz ÖV-Passagiere Geld fordern, wenn die Verspätung aussergewöhnlich gross ist. Es geht um Millionen.
Publiziert: 14.08.2019 um 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2019 um 17:35 Uhr
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Verspätungen bringen ÖV-Kunden auf die Palme. Da bringt die beste Planung nichts.
Foto: Keystone

Wenn Kunden der Deutschen Bahn verspätet an ihr Ziel kommen, können sie dafür schon seit Jahren eine Entschädigung beantragen. Keinen rechtlichen Anspruch auf einen Sorry-Batzen gibts aber bei den Schweizer ÖV-Unternehmen. Das soll sich nächstes Jahr ändern. Was wir schon wissen – und was noch unklar ist.

Wann sollen Reisende eine Entschädigung bekommen?

Es gibt mehrere mögliche Fälle. Der erste betrifft Passagiere, deren Zug verspätet ist oder ausfällt und für die sich deswegen die Reise nicht mehr lohnt. Diese Betroffenen können noch vor der Abreise auf die Reise verzichten. Sie sollen das ganze Geld zurückerhalten.

Ist ein Reisender schon unterwegs, aber die Weiterfahrt lohnt sich nicht mehr, soll er zum Ausgangspunkt zurückkehren können, dafür aber nichts mehr bezahlen müssen. Er bekommt dann den Teil erstattet, den er nicht mehr gebraucht hat.

Wer trotz Verspätung weiterfährt, soll dann ein Anrecht auf Entschädigung haben, wenn er mehr als eine Stunde zu spät am Ziel ankommt. Das geht aus den Verordnungen zur Organisation der Bahninfrastruktur und den Passagierrechten hervor, die vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) im Juli in die Vernehmlassung geschickt wurden.

Wie hoch soll die Entschädigung sein?

Bei Verspätungen von über einer Stunde sollen Passagiere mindestens 25 Prozent des Ticketpreises zurückerstattet bekommen. War der Zug sogar mehr als zwei Stunden zu spät, dann steigt der Anspruch auf mindestens 50 Prozent. 

Was heisst das konkret? Wer zum Beispiel von Zürich nach Lugano TI fährt, zahlt für das Ticket mit Halbtax 32.50 Franken. Hat der Zug zweieinhalb Stunden Verspätung, dann gibts mindestens 16.25 Franken zurück.

Zusätzlich sollen die Transportunternehmen bei längeren Verspätungen ihre Passagiere auch verpflegen müssen. Zumindest dann, wenn es im Zug oder Bahnhof Getränke und Speisen gibt oder solche vernünftigerweise lieferbar sind.

Welche Regeln sollen für Abo-Kunden gelten?

Auch Pendler, die mit einem Abo unterwegs sind, sollen Entschädigungen erhalten. Das, wenn sie wiederholt von Ausfällen und Verspätungen betroffen sind. Die SBB und die weiteren Transportfirmen sollen genau festlegen, welche Bedingungen für diese Art Kunden gilt.

Was passiert bei Verspätungen durch Lawinen oder Steinschlag?

Auch dann haben Passagiere Anrecht auf eine Entschädigung. Das gilt für alle Verspätungen, die durch höhere Gewalt verursacht werden.

Gibt es Ausnahmen?

Wer weniger als zehn Franken zurückfordern könnte, soll leer ausgehen. Die Idee dahinter: Für die Transportunternehmen soll der Aufwand im Rahmen bleiben. Diese Einschränkung dürfte viele ärgern. Zum Beispiel Pendler auf der Strecke Zürich–Bern. Die einfache Fahrt kostet mit Halbtax 25.50 Franken.

Bei 119 Minuten Verspätung – also knapp unter zwei Stunden – würde die 25-Prozent-Mindestentschädigung nur bei 6.40 Franken liegen – zu wenig für eine Erstattung. Auch für die obige Fahrt nach Lugano gäbe es keine Entschädigung, wenn die Verspätung weniger als 2 Stunden und die Entschädigung somit nur mindestens 25 Prozent beträgt.

Wie soll das funktionieren?

Wer eine Entschädigung will, muss einen Antrag dafür einreichen. Diese geht an eine zentrale Beschwerdestelle. Noch müssen die betroffenen Transportunternehmen die Stelle einrichten. Innert 30 Tagen sollen die Betroffenen dann ihre Entschädigung erhalten. Diese muss nicht in Form von Geld erfolgen. Die Unternehmen dürfen auch Reisegutscheine überreichen, allerdings nur, wenn deren Gültigkeit und der Zielort flexibel sind. 

Werden wegen des Rechts auf Entschädigung die Billette teurer?

Nein, sagt die ÖV-Organisation ch-direct auf Anfrage von BLICK: «Tarifmassnahmen aufgrund der Umsetzung der Passagierrechte sind in der ÖV-Branche kein Thema.» 

Welche Summen müssen für die Entschädigungen aufgewendet werden?

Ch-direct hat für Radio SRF berechnet, dass die SBB jährlich einen einstelligen Millionenbetrag für Verspätungsentschädigungen zahlen müssten. Erfahrungswerte gibts auch aus Deutschland. Dort musste die Deutsche Bahn 2018 fast 60 Millionen Franken an ihre Kunden zahlen.

Wann kommt die Entschädigung für ÖV-Verspätungen?

Zurzeit sind die betreffenden Verordnungen in der Vernehmlassung. Diese endet am 24. Oktober 2019. Bis verspätete Passagiere von den neuen Regelungen profitieren können, dauert es aber voraussichtlich noch bis Mitte 2020. (jfr)

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