Glauben Sie, Ihr Partner weiss alles über sie – mehr als irgendjemand sonst auf der Welt? Dann täuschen Sie sich. NIemand kennt Sie so gut wie Facebook. So konnte eine Spezialsoftware durch die Analyse der «Gefällt mir»-Angaben von Nutzern des sozialen Netzwerks genauere Rückschlüsse auf deren Persönlichkeit ziehen als Freunde oder Verwandte. Das ergab eine diese Woche veröffentlichte Studie der Universitäten Cambridge und Stanford.
«Computer werden künftig in der Lage sein, unsere psychologischen Eigenschaften zu erkennen und entsprechend zu reagieren», sagte der Hauptautor der Studie, Wu Youyou vom Zentrum für Psychometrie in Cambridge.
Die in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) veröffentlichte Studie setzt an einer im Frühjahr 2013 veröffentlichten Arbeit der Universität Cambridge an. Bereits damals hatten Forscher gezeigt, dass durch mathematische Analysen der auf Facebook mit Hilfe des Buttons «Gefällt mir» markierten Vorlieben für bestimmte Webseiten oder Diskussionsgruppen sehr genaue Rückschlüsse auf individuelle Eigenschaften der Nutzer möglich waren.
Forscher analysierten «Gefällt mir»-Angaben
Für die Folgestudie wurden nun die Daten von mehr als 86'000 Versuchsteilnehmern ausgewertet. Diese füllten einen Fragebogen zu ihrer Persönlichkeit aus und gaben den Forschern Zugang zu ihren «Gefällt mir»-Angaben bei Facebook.
Untersucht wurden die fünf Eigenschaften Offenheit, Geselligkeit, Pflichtbewusstsein, Verträglichkeit und Impulsivität. Eine Vorliebe für den surrealistischen Maler Salvador Dalí oder die Meditation etwa deute darauf hin, dass ein Nutzer sehr offen sei, führen die Forscher in der Studie aus.
Während der Computer die Facebook-Vorlieben analysierte, konnten die Versuchsteilnehmer zudem Freunde und Verwandte über eine spezielle App einladen, zehn Fragen zu ihrer Persönlichkeit zu beantworten. Insgesamt verglichen die Forscher die Angaben von Freunden und Verwandten von rund 32'000 Versuchsteilnehmern mit den Computeranalysen.
150 «Likes» – und Facebook weiss mehr als die Eltern
Schon aufgrund von zehn «Gefällt mir»-Angaben, so ein Ergebnis, konnte die Spezialsoftware präzisere Angaben zur Persönlichkeit der Probanden machen als deren Freunde oder Verwandte.
70 «Gefällt mir»-Nennungen waren demnach ausreichend, damit die Software zu einer korrekteren Einschätzung kam als ein Freund oder Mitbewohner. Um Eltern oder Geschwister zu übertrumpfen, waren der Studie zufolge 150 solche Facebook-Angaben nötig, für Ehepartner mehr als 300. Der durchschnittliche Facebook-Nutzer hat 227 Webseiten mit «Gefällt mir» markiert.
Im Gegensatz zum Menschen ziehe der Computer grosse Datenmassen zu Rate, ohne sich von Einzelereignissen im Leben eines Menschen vom Wesentlichen ablenken zu lassen, sagte der Studien-Mitautor Michal Kosinski von der kalifornischen Stanford-Universität.
Grosse Datenmengen und lernfähige Computerprogramme böten so Möglichkeiten für eine Genauigkeit, die das menschliche Hirn nur mit grosser Anstrengung erzielen könne. «Menschen tendieren dazu, einem oder zwei Ereignissen zu viel Gewicht beizumessen und kommen so oft zu nicht rationalen Einschätzungen.» (SDA/lha)