Concordia-Patientin muss abnehmen
Zu was darf mich die Krankenkasse zwingen?

Die Krankenversicherung Concordia will 35.000 Franken weniger für die Medikamente einer Patientin zahlen. Ausser diese nimmt ab. Darf eine Krankenversicherung so was? Jein.
Publiziert: 18.02.2015 um 16:47 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:14 Uhr
Von Vinzenz Greiner

Langsam schwinden die Kräfte, die Muskeln wollen nicht mehr so richtig. Auch das Atmen fällt schwer. Irgendwann zu schwer. Weltweit leiden mehrere Tausend Menschen an der unheilbaren Muskelkrankheit Morbus Pompe. Viele Patienten sitzen im Rollstuhl, weil sie zu schwach zum Laufen sind.

Auch eine Schweizerin. Ihr droht jetzt die Krankenversicherung Concordia nicht mehr die volle Dosis des teuren Stoffwechsel-Präparats Myozyme zu bezahlen – wenn sie nicht abnimmt. Konkret: Innert neun Monaten muss sie von 84 runter auf 78 Kilogramm. Sollte die Patientin das nicht schaffen, zahlt Concordia nur noch eine Myozyme-Dosis für 78 Kilogramm Körpergewicht. Den Rest müsste die Frau tragen – das sind über 35.000 CHF pro Jahr.

Können dann Krankenkassen einfach jemanden mit der Drohung, Medikamente nicht zu bezahlen, dazu zwingen, gesünder zu leben? Muss man als Raucher fürchten, bald ein Schreiben der Krankenkasse zu bekommen, das auffordert, weniger Zigis zu rauchen? Jein.

Medikamente müssen wirksam, wirtschaftlich und zweckmässig sein

«Der Aufbau eines solchen Drucks ist nur zulässig, wenn unter den gegebenen Umständen eine der Eigenschaften des Medikaments eingeschränkt ist: Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit», erklärt Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte bei Comparis.ch.

Das Druckmittel ist auf Papier gedruckt: Laut dem Bundesgesetz über die Krankenversicherungen müssen diese nur dann Kosten tragen, wenn Leistungen wie Arztbehandlungen oder Medikamente eben wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind.

«Wenn die Behandlung mit einem Medikament nicht wirksam ist, kann also die Krankenkasse sagen: Wir zahlen nicht», erklärt Schneuwly. Gerade weil es immer mehr extrem teure Medikamente gebe, könnten zudem Krankenkassen auch mit der eingeschränkten Wirtschaftlichkeit argumentieren, so der Krankenkassen-Experte.

«Übergriff einer Kranversicherung»

Soll die Myozyme-Therapie verlängert werden, muss die Krankenkasse alle zwölf Monate den Vertrauensarzt konsultieren. Das steht unter den Abgabe-Bedingungen von Myozyme.

Beispielsweise muss eine «klinisch relevante Einschränkung der Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens oder der Berufsausübung infolge Myopathie bzw. Funktionseinbusse der Muskulatur» vorhanden sein. «Aus dieser Liste geht jedoch nicht hervor, dass für die Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung eine Gewichtsreduktion ausschlaggebend ist», erklärt das Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Auf Anfrage von Blick.ch erklärt Concordia, dass man bisher über drei Jahre etwa 1,2 Millionen Franken für die Therapie ausgegeben habe. Nun gehe es darum, «gemeinsam mit der Patientin und ihrem Arzt eine Lösung für die Zukunft zu finden», heisst es diplomatisch.

Erika Ziltener hält das Vorgehen von Concordia für einen «Übergriff». «So etwas dürfen Krankenkassen nicht!», erklärt die Präsidentin des Dachverbandes Schweizerischer Patientenstellen.

Die Patientin kann sich nun wehren. Zuerst kann sie sich an die Ombudsstelle der sozialen Krankenversicherungen in Luzern wenden, und dort versuchen, einen aussergerichtlichen Vergleich zu erzielen. «Wenn die Kasse weiter „Nein“ sagt, um keinen Präzedenzfall zu schaffen, steht der Weg ans Bundesverwaltungsgericht offen», erklärt Schneuwly von Comparis.ch.

Das entschied aber schon häufig zugunsten der Krankenkassen.

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