Darum gehts
- Debatte über Plastik- vs. Naturbäume in der Schweiz zu Weihnachten
- Echte Bäume bieten Lebensraum und sind Teil des natürlichen Kreislaufs
- Ein zwei Meter hoher Tannenbaum speichert beim Wachsen rund 15 Kilo CO2
Aufregung wenige Wochen vor Weihnachten: Bei unseren Nachbarn ennet der Grenze im Norden schlägt der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger derzeit Alarm. Immer mehr greifen zur Plastiktanne. Ein Fehler! Plastik sei eine «ökologische Sackgasse – gefertigt aus Erdöl, schwer recycelbar und oft importiert aus Asien», wettern die deutschen Tannen-Landwirte.
Gegen richtige Tannen mit Nadeln machen künstliche Tannen ökologisch keinen Stich, finden auch Schweizer Produzenten. Unter ihnen ist Markus Oettli (37) mit seinem Hof in Amriswil TG. Der Tannenbaumhandel ist der Hauptgeschäftszweig seiner Bauernfamilie – und das bereits seit 79 Jahren.
«Eine echte Alternative zum Naturbaum gibt es nicht», sagt Oettli zu Blick. Seine Kundschaft sehe das genauso. «Schweizer sind traditionsbewusst und wollen einen natürlichen Baum.» Seine Verkäufe steigen jedes Jahr – am liebsten kaufen die Leute Bäume aus der Region. «Das hilft uns als regionale Produzenten», so Oettli. Ein Tannenbaum kostet bei ihm 35 bis 40 Franken pro Meter.
Eine Plastiktanne ist für Jahrzehnte
Bis zu 700 Franken kostet dagegen eine Plastiktanne beim Schweizer Kunststoffpflanzenverkäufer Decoplants. Entscheidend sei, sie lange zu nutzen, sagt Firmenchef Niklaus Hartmann (46). «Ein Billigbaum aus dem Supermarkt, der nach einer Saison kaputt ist, bringt gar nichts.»
Laut der Umweltorganisation WWF ist ein Plastikbaum nicht abbaubar und endet als Sondermüll. Er müsse mindestens 20 Jahre genutzt werden, um seine Klimabilanz auszugleichen, heisst es.
Darin sieht Philipp Gut (64), Geschäftsführer der IG Suisse Christbaum, keine Lösung: «Wer will 15 Jahre lang denselben Plastikbaum ansehen – und wer sorgt so lange dafür, dass er nicht verstaubt?» Klar, sehe er auch die Vorteile. In einem Schaufenster oder einer dunklen Ecke einer Firma sei ein Kunststoffbaum vertretbar. «Aber in der Stube, wo man den Duft riecht, da geht es um mehr: Ein echter Baum steht für das Immergrüne zur Sonnenwende – ein Zeichen, dass das Licht zurückkehrt. Plastik kann das nicht ersetzen.»
Natürlicher Kreislauf
Christbaumkulturen bieten einer Vielzahl von Lebewesen wertvollen Lebensraum. «Man könnte sie als wahre Biodiversitätshotspots bezeichnen», sagt Bauer Oettli.
Ein zwei Meter hoher Tannenbaum speichert beim Wachsen rund 15 Kilo CO2. Wird er nach den Feiertagen verbrannt, entweicht das Gas wieder. Die Biomasse gilt deshalb als klimaneutral. Die eigentliche Belastung entsteht durch Transport und Entsorgung. Sie entspricht etwa einem Dreigangmenü mit Fleisch.
«Ein Baum, den man nach zwei Wochen entsorgt, ist Teil des natürlichen Kreislaufs – wie Laub, das im Herbst von den Bäumen fällt», sagt Philipp Gut. «Wer das kritisiert, müsste auch der Natur vorwerfen, Abfall zu produzieren.» Alternativen machen wenig Sinn: «Das ist, wie wenn man mit Standlicht fahren würde, um Energie zu sparen.»
Nicht jeder echte Baum ist eine grüne Wahl
Niels Jungbluth (58) von ESU-Services, dem Schaffhauser Unternehmen, das Beratung zum CO2-Fussabdruck anbietet, hebt die Unterschiede zwischen echten Bäumen hervor. Monokulturen setzen oft auf Pestizide und Dünger, um perfekte Bäume zu züchten. Nachhaltigere Varianten aus der Forstwirtschaft wachsen ohne Chemie – doch auch hier zählt der Transportweg.
«Je kürzer der Weg, desto besser. Oft verursacht die Autofahrt mehr CO2 als der Baum selbst», sagt Damian Oettli (61) von WWF Schweiz. Er empfiehlt, heimische Sorten zu kaufen: Fichten, Föhren oder Weisstannen. Nordmanntannen, inzwischen in der Schweiz am beliebtesten, gehören nicht dazu und werden importiert.
Am Ende des Tages ist die Wahl des Baums nur ein kleiner Teil der gesamten Weihnachtsbilanz. Jungbluth von ESU-Services sagt: «Alles, was unter dem Baum liegt und dazu gegessen wird, ist meist deutlich schädlicher für die Umwelt als der Baum selbst.»