Eigentlich bereiten Gästekarten Freude. Mit ihr können Hotelgäste, Ferienwohnungs-Mieter und Zweitwohnungsbesitzerinnen günstiger ins Museum, ins Hallenbad oder sogar gratis mit den Bergbahnen fahren. In der Region Disentis-Sedrun zoffen sich Zweitwohnungsbesitzer, Gemeinden und Tourismusorganisationen nun aber wegen dieser Gästekarte.
Den Zweitwohnungsbesitzern von Disentis und Tujetsch wurde das Sommerabo bei den Bergbahnen gestrichen. Die Gästekarte gilt für sie nur noch während sieben aufeinanderfolgenden Tagen – statt des gesamten Sommers. Anders bei den Hotelgästen: Sie dürfen weiterhin unbeschränkt durch die Bergwelt gondeln – so lange sie in einer Unterkunft in der Gemeinde logieren.
«Das ist Diskriminierung»
Das geht Vreni Müller-Hemmi (70) mächtig gegen den Strich. Die ehemalige Zürcher SP-Nationalrätin ist Präsidentin der Interessensgemeinschaft (IG) Tujetsch und vertritt rund 700 Zweitwohnungsbesitzer in der Ferienregion. Sie führt den Widerstand gegen die Kürzung des Gästekarte-Angebots an. «Das ist eine Geringschätzung von Zweitwohnungsbesitzenden», sagt Müller-Hemmi.
In den Augen von Müller-Hemmi und ihrer IG sind die Schuldigen für diese «Diskriminierung» die Gemeindepräsidenten von Tujetsch und Disentis, Martin Cavegn (51) und René Epp (38). Die Idee für die abgespeckten Gästekarten für Zweitwohnungsbesitzer sei auf ihrem Mist gewachsen, wettert die IG in einer Medienmitteilung von Anfang Mai.
«Praktisch gleich gute Angebote»
«Die Bergbahnen haben der Gemeinde das Messer auf die Brust gesetzt», so Müller-Hemmi. Für die Leistungen der Gästekarte hätten die Bergbahnen SkiArena Andermatt-Sedrun und Bergbahnen Disentis mehr Geld aus der Gemeindekasse verlangt. Die Tourismusorganisation Sedrun-Disentis hat für die Gemeinden Disentis und Tujetsch die Gästekarten neu ausgehandelt – mit Abstrichen bei den Angeboten für Zweitwohnungsbesitzern.
«Unter dem Strich sind ihre Angebote praktisch gleich gut wie für einen Übernachtungsgast», verteidigt der Disentiser Gemeindepräsident René Epp das neue Angebotspaket. Dieser Meinung waren auch die Parlamente der beiden Gemeinden, die letzten Freitag über die umstrittene Gästekarte beraten haben.
Alles im rechtlichen Rahmen?
Müller-Hemmi sieht das anders. Diese Handhabung verstosse gegen geltendes Recht, poltert sie. Zirka 70 Prozent der Tourismustaxen der Gemeinden Disentis und Tujetsch steuerten Zweitwohnungsbesitzer bei. «Das Gesetz sagt: Die Tourismustaxe soll dem Gast, also auch Zweitheimischen zugutekommen. Das ist in unseren Augen nicht mehr erfüllt», so die ehemalige Nationalrätin. Deshalb prüft sie jetzt, rechtliche Schritte einzuleiten.
Das kommt bei Martin Cavegn, Gemeindepräsident von Tujetsch, gar nicht gut an: «So verspielt sie ihr Ansehen und das der IG im Dorf. Die Einheimischen gehen hier oben anders miteinander um.» Und der Gemeindepräsident von Disentis, René Epp, stellt klar: Bei der Gästekarte für Zweitwohnungsbesitzer bewege sich alles im rechtlichen Rahmen.
Er stört sich besonders ab der Kommunikation von Müller-Hemmi: «Gerade eine ehemalige Nationalrätin müsste wissen, dass man miteinander erst über die Sache spricht und später an die Öffentlichkeit tritt.»
Überarbeitung der Gästekarte für 2022 steht im Raum
Beide sind sich sicher: «Hätte Frau Müller-Hemmi das Gespräch vorgängig mit uns gesucht, hätten wir unsere Sichtweise darstellen können.» Die IG-Präsidentin wiederum kritisiert den Dialog vonseiten der Behörden als kurzfristig und intransparent.
So oder so: Für die Sommersaison 2021 ist die Gästekarte voraussichtlich beschlossene Sache. Möglich sei laut Behördenvertreter aber, dass man das Angebot fürs nächste Jahr nochmals überarbeite – zusammen mit den Zweitwohnungsbesitzern. Ob bis dahin nicht schon zu viel Geschirr zerschlagen ist, wird sich zeigen.