Der Toggenburger Goldschmied Martin Häringer (67) ärgert sich. Seit Herbst 2008 ziehen ihn die Bewohner von Ebnat-Kappel SG auf, wenn er in seinem Wohnort auf die Strasse geht.
Der Grund ist sein jüngerer Bruder: Stephan Haeringer (63) war einer der engsten Vertrauten von Ex-UBS-Boss Marcel Ospel (59) und galt als graue Eminenz der Bank. Vier Jahrzehnte lang stand er in ihrem Dienst, zuletzt als Vizepräsident des Verwaltungsrates.
Martin Häringers Bruder bestimmte die Geschicke der Grossbank mit, als sie mit dem Handel von US-Ramschpapieren an den Rand des Ruins geriet. In einer Notaktion mussten Bund und Nationalbank im November 2008 die UBS mit Dutzenden Milliarden Franken retten. Und als direkte Folge der illegalen Machenschaften der UBS in den Vereinigten Staaten fiel im Februar 2009 das bis dahin sakrosankte Bankgeheimnis.
Martin Häringer kann nicht verstehen, dass sein Bruder immer noch als angesehenes Mitglied des Zürcher Establishments akzeptiert wird. Am Freitag vor zwei Wochen rief er deswegen Urs Linsi an, den Chef der Zürcher Zunft Hard, eines traditionsreichen Zusammenschlusses bürgerlicher Handwerker und Geschäftsleute. «Ich fragte ihn, ob es noch tragbar sei, jemanden als Mitglied zu halten, der einen derartigen Schaden verursacht hat», sagt Martin Häringer. Er selbst hatte Ende der Achtzigerjahre die Zunft Hard nach zwanzig Jahren Mitgliedschaft verlassen. Die Antwort des Zunftmeisters sei unmissverständlich ausgefallen: Stephan Haeringer sei eine «integre Person» und es gebe keinen Grund, ihn aus der Zunft auszuschliessen.
Der Bruder zu SonntagsBlick: «Unser Vater war Ehrenzünftler. Er würde sich im Grab umdrehen, wenn er von all dem wüsste. Moral und Ethik hatten für ihn einen sehr hohen Stellenwert.» Für Martin Häringer ist klar: «Die wollen meinen Bruder nur behalten, weil er Geld hat.» Zunftmeister Urs Linsi wollte auf Anfrage von SonntagsBlick nicht Stellung nehmen, es handle sich um «eine interne Angelegenheit». Von 1998 bis 2008 bezog Stephan Haeringer gemäss SonntagsBlick-Schätzungen mehr als 40 Millionen Franken an Boni, seine Prunkvilla steht an der Zürcher Goldküste. Er beneide seinen Bruder nicht um dessen Vermögen, betont Martin Häringer mehrmals.
«Stephan und die Führungsriege der UBS haben dem Finanzplatz Schweiz durch ihr Handeln grossen Schaden zugefügt», sagt er. «Ihre Bank brach amerikanisches Recht und, wie aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ersichtlich ist, wahrscheinlich auch schweizerisches.»
Im Herbst 2008 forderte er seinen Bruder auf, die Boni zurückzuzahlen. «Er hat dieses Geld nicht redlich verdient.» Wenig später gab Stephan Haeringer einige Millionen Franken zurück. «Das war ein guter Anfang, aber es reicht nicht. Damit erreichte er nur, dass man nicht mehr über ihn spricht.» Er und die anderen UBS-Verwaltungsräte sollten ihre Boni auf zehn Jahre rückerstatten. Stephan Haeringer wollte am Telefon gegenüber SonntagsBlick die Aussagen seines Bruders nicht kommentieren.
Nun hofft der ältere Bruder des Ex-Bankers auf die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), welche die UBS-Affäre untersuchen soll. «Was passierte, ist schon traurig genug. Die PUK soll jetzt reinen Tisch machen.»