Heute ist es noch viel schlimmer
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BlickPunkt über Crypto-Affäre:Heute ist es noch viel schlimmer

BlickPunkt über die Crypto-Affäre
Heute ist es noch viel schlimmer

Dass die Zuger Firma Crypto AG für die CIA spioniert hat, ist seit langem bekannt. Mehr als letzte Details eines alten Skandals sollte uns Sorgen machen, wie mittlerweile jeder von uns ausspioniert werden kann.
Publiziert: 15.02.2020 um 02:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2020 um 15:38 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Ist Crypto-Leaks ein Skandal oder nur ein Skandälchen? Diese Woche kam aus, dass der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst BND über die Schweizer Firma Crypto AG jahrzehntelang andere Staaten ausspioniert hatten.

Der Trick ging so: Die Crypto AG stellte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Informationen her. Dumm für ihre Kunden war nur, dass die Firma über eine Tarngesellschaft CIA und BND gehörte, die einen Mechanismus in die Geräte bauten, mit dem sie die Verschlüsselung wieder aufheben konnten.

Das ist spannend, aufregend, brisant ... aber im Wesentlichen bekannt.

Der US-Geheimdienst CIA ...
Foto: AFP
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Schon 1975 erklärte ein ehemaliger Geheimagent, wie wichtig die Crypto AG für den US-Auslandsgeheimdienst war. 1994 schrieb der Schweizer Journalist Res Strehle (68) darüber ein Buch unter dem Titel «Verschlüsselt».

Damals fehlten letzte Beweise – aber was lässt sich in Geschichten aus der Welt der Geheimdienste schon mit Gewissheit sagen? Auch jetzt gibt es Ungereimtheiten und Widersprüche: In den CIA-Dokumenten steht, der damalige Bundesrat Kaspar Villiger (79) habe alles gewusst. Villiger dementiert. Lügt die CIA, redet sich Villiger heraus? Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.

Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments will nun untersuchen, wie viel der Schweizer Nachrichtendienst wusste, ob Bern sogar von den abgehörten Informationen profitierte ...

Schauen wir mal, was dabei herauskommt. Sicher sind bereits zwei Dinge.

Erstens bestätigt sich wieder einmal die uralte Weisheit, dass eigentlich immer alle Staaten alles wissen. Dafür sind ihre Geheimdienste ja da. Die Schweiz war stolz auf ihr weitverzweigtes und bestens getarntes Netz streng geheimer Bunker. Nach dem Ende des Kalten Krieges stellte sich heraus, dass die Russen im Besitz einer detaillierten Karte sämtlicher Standorte waren.

Zweitens ist und war die «neutrale Schweiz» nie neutral. Im Kalten Krieg gehörte sie klar zum westlichen Bündnis. Die Armee übte stets «Die Russen kommen» und nie «Die Amis kommen». Kann es da wirklich noch erstaunen, dass westliche Geheimdienste eine Schweizer Firma zur Spionage nutzten?

Die Vergangenheit aufzuarbeiten, ist nie verkehrt. Mehr Aufmerksamkeit sollten wir der Zukunft widmen: Heute braucht kein Geheimdienst mehr Chiffriermaschinen zu manipulieren. Heute spioniert jedes Smartphone besser, als es sich CIA, KGB, Stasi und Co. je erträumt hätten!

Technisch ist es problemlos möglich, uns alle abzuhören, auf Schritt und Tritt zu verfolgen, herauszulesen, wer wen wann wo trifft. Wir surfen auf Google, wir nutzen Navis, wir zahlen mit Twint oder Revolut, auch unser Patientendossier ist demnächst eine App – der Mensch wird bald kein Geheimnis mehr haben, das nicht irgendwo gespeichert ist und daher gehackt werden kann.

Wer heute noch sicher ist, dass die Apples, Googles, Facebooks und Huaweis dieser Welt mit unseren Daten nichts Verborgenes anstellen, der glaubt auch an Klapperstorch, Zahnfee und Weihnachtsmann.

Diktatoren und totalitäre Staaten nutzen die neuen Möglichkeiten ganz unverblümt. China etwa führt gerade die totale Überwachung seiner Bürger ein, installiert landesweit 600 Millionen Kameras mit Gesichtserkennung, vergibt Punkte für «gutes Verhalten» und Minuspunkte für «verwerfliches Verhalten», nach denen dann Kredite, Reisen oder Mietverträge gewährt werden.

DAS sollte uns Sorgen machen!

Darum geht es bei Crypto-Leaks
  • Die Schweizer Firma Crypto AG aus Steinhausen ZG war jahrzehntelang Weltmarktführer in der Herstellung von Verschlüsselungstechnik. Diese wurde in über 100 Länder verkauft, die damit heikle Kommunikationen schützen wollten.
  • Was lange vermutet wurde, ist jetzt dank Recherchen von SRF und internationalen Medien bewiesen: Der deutsche Geheimdienst NDB und die CIA hatten von Anfang an die Hände im Spiel. Seit 1970 sogar als Eigentümer der Crypto AG – via eine Tarnfirma im Fürstentum Liechtenstein.
  • Was die Abnehmer der Crypto-Technologien nicht wussten: Die Geheimdienste bauten Hintertüren ein, mit denen CIA und BND die vermeintlich sichere Kommunikation mitlesen konnten.
  • Als Anfang der 90er-Jahre der Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler im Iran wegen Spionage verhaftet wurde, drohte das Konstrukt aufzufliegen. Die Bundesbehörden ermittelten – wie gut, ist eine andere Frage. Die Ermittlungen führten zu nichts.
  • Im Januar 2020 hat der Bundesrat den Ex-Bundesrichter Niklaus Oberholzer (66) eingesetzt, die Affäre aufzuarbeiten. Immer mehr Politikern reicht das nicht.
  • Die Schweizer Firma Crypto AG aus Steinhausen ZG war jahrzehntelang Weltmarktführer in der Herstellung von Verschlüsselungstechnik. Diese wurde in über 100 Länder verkauft, die damit heikle Kommunikationen schützen wollten.
  • Was lange vermutet wurde, ist jetzt dank Recherchen von SRF und internationalen Medien bewiesen: Der deutsche Geheimdienst NDB und die CIA hatten von Anfang an die Hände im Spiel. Seit 1970 sogar als Eigentümer der Crypto AG – via eine Tarnfirma im Fürstentum Liechtenstein.
  • Was die Abnehmer der Crypto-Technologien nicht wussten: Die Geheimdienste bauten Hintertüren ein, mit denen CIA und BND die vermeintlich sichere Kommunikation mitlesen konnten.
  • Als Anfang der 90er-Jahre der Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler im Iran wegen Spionage verhaftet wurde, drohte das Konstrukt aufzufliegen. Die Bundesbehörden ermittelten – wie gut, ist eine andere Frage. Die Ermittlungen führten zu nichts.
  • Im Januar 2020 hat der Bundesrat den Ex-Bundesrichter Niklaus Oberholzer (66) eingesetzt, die Affäre aufzuarbeiten. Immer mehr Politikern reicht das nicht.
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