Fast eine halbe Million Angestellte arbeitet in der Schweiz zu Tieflöhnen. Das heisst, sie verdienen weniger als 4335 Franken pro Monat. Dies bei einem Vollzeitpensum von 40 Wochenstunden. Was es heisst, einem unterbezahlten Job nachzugehen, und wie es sich damit lebt, erzählen BLICK-Leser. Mehr als die Hälfte der Erfahrungsberichte ging von Frauen ein. Kein Zufall, denn sie sind deutlich stärker von Tieflohnarbeit betroffen als Männer.
Zu den Betroffenen zählt Bianca Wertli*. Sie arbeitet in einem Callcenter und verdient dort 4000 Franken brutto. Dazu kommt ein Bonus von 240 Franken. Allerdings muss sich das Team diesen mit Erfolgen verdienen. Nochmals 80 Franken gibts als Treuebonus. Unter dem Strich sind das maximal 4320 Franken. «Und das im Schichtbetrieb», fügt Wertli an.
Hoher Druck, tiefer Lohn
Auch Andrea Vollmer* weiss, was es heisst, viel zu arbeiten für wenig Geld. Die 54-Jährige ist in der Kundenakquise tätig. Eine Tätigkeit, die sie als anspruchsvoll beschreibt. Ihr Grundlohn: 3000 Franken. Dafür müssen sie und ihre Kollegen aber einen minimalen Umsatz erarbeiten. Schaffen sie mehr, dann gibts Provision. Allerdings hätten sie schon Mühe mit dem Minimum. «Das erzeugt täglich psychischen und physischen Druck», sagt Vollmer.
Auf die Stunde heruntergerechnet verdient Maria Lenkovac* nur gerade 5,60 Franken. Sie ist Tagesmutter – ein Vollzeitjob mit hoher Verantwortung. «Ein wunderschöner Job, aber völlig unterbezahlt, für das, was wir leisten!»
Firmen schummeln
Als Kleiderverkäuferin hat die Ehefrau von Mathieu Geiger* gearbeitet. 20 Franken pro Stunde hätten ihr die Firmen anfänglich bezahlt. Überall sei ihr zwar eine Festanstellung versprochen worden, nirgends aber hätte sie diese bekommen. Trotz guter Leistung.
Geiger hat einen Verdacht: Die Unternehmen würden den Gesamtarbeitsvertrag systematisch aushebeln. Für die Mitarbeiter heisse das, statt 4300 Franken verdienen sie nur etwa 3000 Franken. «Die Umgehung des GAV ist weit verbreitet und sollte gesetzlich unbedingt unterbunden werden», fordert er.
Bei Peter Zumsteg* happert es nicht nur beim Lohn, sondern auch bei den Anstellungsbedingungen. Der zweifache Vater verdient 4535 Franken pro Monat. Damit kommt er auf den ersten Blick knapp über die Tieflohngrenze. Allerdings beträgt Zumstegs Pensum 43 Stunden. Erschwerend kommt dazu, dass sich die Arbeit nicht auf eine Fünftagewoche aufteilt. Das kostet wichtige Ruhetage.
Steuern nur in Raten zahlen
«Trotz einer Festanstellung lebe ich knapp am Existenzminimum», klagt Stefan Peter*. Er arbeitet 80 Prozent. Sein Nettoeinkommen betrage knapp 3000 Franken. Weil er alleinstehend sei und auch kein Auto besitze, reiche das Geld gerade noch. Sparen liege aber praktisch nicht drin. Weil er auch keinen 13. Monatslohn bekomme, bereite ihm die Steuerrechnung regelmässig Probleme. Nur in Raten könne er diese bezahlen. (jfr)
*Namen geändert