In den Goldminen des Kongo
Ein schmutziges Geschäft

Schweizer Raffinerien verarbeiten bis zu zwei Drittel des weltweit geförderten Goldes. Doch mit ihrer Verantwortung nehmen sie es nicht so genau.
Publiziert: 26.08.2018 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2019 um 15:46 Uhr
Die dunkle Seite von Kongos Gold
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Edelmetall hält den Konflikt aufrecht:Die dunkle Seite von Kongos Gold
Cyrill Pinto

Vom Flughafen der Stadt Bunia sind es vier Stunden Fahrt über holprige Naturstrassen bis zum Goldhändlerstädtchen Mambasa mitten im kongolesischen Urwald. Von hier sind es nochmals eine Stunde mit dem Jeep und zwei Stunden Fussmarsch durch den dichten Regenwald.

Auf einer Waldlichtung sind jetzt mehrere schlammig-hellbraune Löcher zu sehen: Hier wird nach Gold geschürft. Im hüfttiefen braunen Wasser suchen junge Männer nach dem Edelmetall. Auch zwei Kinder sind bei der Arbeit. Der eine Junge ist höchstens zwölf Jahre alt. Er hält eine Pfanne in der Hand. Der andere wirkt nicht viel älter. Er schaufelt Schlamm in die Pfanne: Befinden sich darin wohl Goldkörner? «Wir arbeiten hier, um die Schule bezahlen zu können», sagt der Ältere der beiden.

Flauribert, etwa 20 Jahre alt, mischt sich ins Gespräch. Seit einem halben Jahr arbeite er in der Mine. Das sei zwar mühselig. «Dafür sind wir hier wenigstens sicher», sagt er. «Einmal im Monat kommen Soldaten, kassieren ihr Schmiergeld, lassen uns aber sonst in Ruhe.»

Gold in Zahlen
  • 5-6 Millionen Menschen verloren beim Bürgerkrieg im Kongo ihr Leben.
  • 2 Drittel des weltweit geförderten Goldes wird in der Schweiz verarbeitet – sie hat damit eine wichtige Funktion.
  • 37 Prozent des Schweizer Goldes werden als Anlagegold weiterverkauft.
  • Vier der grössten Goldschmelzen der Welt befinden sich in der Schweiz.
  • 5-6 Millionen Menschen verloren beim Bürgerkrieg im Kongo ihr Leben.
  • 2 Drittel des weltweit geförderten Goldes wird in der Schweiz verarbeitet – sie hat damit eine wichtige Funktion.
  • 37 Prozent des Schweizer Goldes werden als Anlagegold weiterverkauft.
  • Vier der grössten Goldschmelzen der Welt befinden sich in der Schweiz.

Soldaten mischen im Goldhandel mit

Die Gegend ist gefährlich: Wenige Kilometer östlich sind gleich mehrere Rebellengruppen aktiv. Sie finanzieren sich über den Handel mit Gold und Elfenbein. Ansonsten verschleppen sie Frauen, die sie als Sexsklavinnen halten, rauben und morden.

Zum Schutz der Bevölkerung hat die Regierung Soldaten in den Urwald abkommandiert. Doch auch die sind längst zum Problem geworden. Statt für Sicherheit zu sorgen, mischen sie im Goldhandel mit. Ihre Übergriffe sind nicht weniger grausam als jene der Rebellen.

Am Gold aus der Demokratischen Republik Kongo, dem früheren Zaire, klebt sehr viel Blut. Vier von fünf Goldschürfern arbeiten in Minen, in denen Militärs oder Rebellen präsent sind. Und laut Uno-Kinderhilfswerk Unicef arbeitet im Kongo jedes dritte Kind. Doch das Gold aus diesem armen reichen Land findet trotzdem seinen Weg in alle Welt. Und die Schweiz geht das mehr an, als viele ihrer Bürger glauben – sie gilt global als wichtigster Goldhändler.

Das Gold kommt über Dubai in die Schweiz

Bis zu zwei Drittel der jährlichen Fördermenge werden in der Schweiz geschmolzen und raffiniert. Knapp die Hälfte geht als Schmuck in den Handel, rund ein Drittel an Banken, der Rest an die Industrie.

In die Schweiz kommt die wertvolle Ware über Dubai. Das Emirat gehört seit Jahren zu unseren grössten Goldlieferanten, obwohl es dort keine einzige Mine gibt. Nach Dubai gelangt das Edelmetall, ebenfalls in Flugzeugen, auf dem Umweg über Uganda, ein Nachbarland des Kongo. Schmuggler bringen das Gold aus den Minen der Provinz Ituri – auch aus den Schlammlöchern von Mambasa – über die Grenze.

Seit 1996 tobt im Kongo der tödlichste Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg: Fünf bis sechs Millionen Menschen verloren ihr Leben, zwei Millionen wurden vertrieben. Dabei ist das Land auf beiden Seiten des Äquators unermesslich reich an Bodenschätzen. Das Gold ist einer der wichtigsten Auslöser dieses Krieges und es trägt wesentlich dazu bei, dass er bereits Jahrzehnte dauert.

Schweizer Goldhändler berufen sich gern auf die Klarheit ihrer Leitlinien, ausgearbeitet von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie vom London Bullion Market, einem wichtigen Handelsplatz für Gold. Das Problem: Ihre Einhaltung ist freiwillig, die Ergebnisse ihrer Überprüfung werden nie publik gemacht.

«Zertifizierung» suggeriert eine falsche Sicherheit

Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Schweizer Goldverarbeiter können nicht garantieren, dass in ihrer Handelskette kein Gold aus Konfliktgebieten steckt – die gern erwähnte «Zertifizierung» suggeriert eine falsche Sicherheit.

Einer der wichtigsten Goldhändler im Kongo heisst Edmond K.* Der Mittfünfziger schmuggelt jährlich fast eine Tonne Gold nach Uganda, wo er es auch einem Mann namens Rajendra Vaja verkauft – der wegen illegaler Golddeals auf der Sanktionsliste der Uno steht.

Gemäss mehreren lokalen Quellen liefert Vaja das Gold seinerseits an den Belgier Alain Goetz, der seit den 90er-Jahren in ehemals Belgisch-Kongo aktiv ist. Goetz wird in einem UN-Report von 2009 wegen Handel mit Konfliktgold erwähnt.

Sein Hauptquartier hat er am internationalen Flughafen von Entebbe in Uganda. Das riesige Gelände ist von einer fünf Meter hohen Betonmauer umgeben, im Wachtturm am Eingang sitzt ein Sicherheitsmann, der die Umgebung genau im Blick hat. Eine Anfrage von SonntagsBlick, die Schmelze in Entebbe zu besuchen, blieb unbeantwortet.

Uganda verrechnet bloss einen Bruchteil der Zölle

Gemäss Statistik der Zentralbank exportiert Uganda pro Jahr mehr als acht Tonnen Gold – vor allem in die Vereinigten Arabischen Emirate. «Es stammt zum grössten Teil aus Minen im Kongo und dem Südsudan», weiss Bwesigye Don Binyina, Leiter des Instituts für Energie- und Rohstoffpolitik in Ugandas Hauptstadt Kampala. Im Vergleich zu den umliegenden Nationen verrechnet Uganda bloss einen Bruchteil der Zölle. «Das macht unser Land zu einem Magneten für Gold aus den Nachbarländern, darunter auch Konfliktgold», sagt Binyina. «Die Schweiz macht sich mitschuldig an der Situation im Kongo. Länder, die Gold importieren, sollten ein Interesse daran haben, die Lieferketten genau zu kontrollieren.»

Mehrere Informanten heben gegenüber SonntagsBlick hervor, das Goetz zur Finanzierung seiner Goldaufkäufe auf Schweizer Banken setzt: «Er erwähnte bei einem Treffen, dass er grosse Mengen Bargeld aus der Schweiz nach Dubai und von dort nach Uganda fliegen lässt», sagt ein ehemaliger Angestellter von Goetz. Dafür geniesse er die Unterstützung der Banken, da es gar nicht so einfach sei, so viel Geld per Handgepäck zu transportieren.

Gegenüber SonntagsBlick bestreitet Goetz die Richtigkeit dieser Angaben. Er arbeite mit keiner Schweizer Bank zusammen, teilt er schriftlich mit. Das meiste Gold, das aus dem Kongo nach Uganda gelangt, wird weiter nach Dubai transportiert. Transporteure fliegen damit ins sechs Stunden entfernte Emirat: Sie nehmen es einfach als Handgepäck in die Kabine.

Hiesige Unternehmen setzen weiterhin auf Importe aus den Emiraten

Amjad Rihan machte dies im Jahr 2013 erstmals öffentlich, als er die Bücher der grössten Goldschmelze der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) prüfte. Die Ergebnisse waren haarsträubend: Gold im Wert von über 5,2 Milliarden Dollar wurde allein in einem Jahr mit Bargeld bezahlt. Rihans Untersuchung brachte grobe Verstösse gegen die freiwillig vereinbarten Standards im Goldhandel ans Tageslicht. SonntagsBlick sprach mit ihm über die Rolle der Emirate im internationalen Goldhandel. Rihans Urteil: «Dubai ist ein Hochrisikoland, wenn es um den Goldhandel geht.» Dabei werde eine beträchtliche Menge schmutziges Gold durch das Emirat geschleust. «Gold, das auf direktem Weg niemals in die Schweiz gelangen würde», so der ehemalige Partner von Ernst & Young.

Dutzende Kilo landeten per Handgepäck in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Bordkarte des letzten Anschlussflugs genüge als Herkunftsnachweis. Amjad Rihan: «Woher das Gold wirklich stammt, wird nicht überprüft.» Seine Schlussfolgerung: «Bei Gold aus Dubai sollten alle Warnlampen aufleuchten.» Es bräuchte strengere Richtlinien für den Goldhandel. Leider seien die derzeit gültigen Standards zur Beschaffung von Rohstoffen nicht wirkungsvoll; sie dienten eher als Instrument zum Weisswaschen des wertvollen Rohstoffs.

Seit die Eidgenossenschaft 2012 Gold wieder in der Aussenhandelsstatistik ausweist, gehört Dubai zu den zehn wichtigsten Importquellen. 2016 stammten 373 Tonnen aus dem Emirat; es war damit das wichtigste Herkunftsland. Und obwohl sie um die zweifelhafte Herkunft des Goldes wissen, setzen hiesige Unternehmen weiterhin auf Importe aus den Emiraten. Erst im Januar gaben mehrere Schweizer Raffinerien offen zu, Gold aus den Emiraten zu importieren, darunter Argor-Heraeus mit Sitz in Mendrisio TI. Die Einhaltung der Regeln zum Goldhandel würden bei Argor-Heraeus gewissenhaft überprüft, teilt die Tessiner Schmelze auf Anfrage mit. Das Unternehmen stelle sicher, dass kein Gold verarbeitet wird, das aus illegalen oder auch nur zweifelhaften Quellen stammt. Argor könne die Herkunft des Goldes auf Wunsch des Kunden sicher und nachvollziehbar darstellen.

«Der Kongo ist krank.»

Safanto Bulongo (45) arbeitet als Koordinator von Max Impact, einer Initiative, die sich auch mit der Ausbeutung von Rohstoffen im Kongo beschäftigt. Beim Besuch in der Provinz Ituri sagt der Kongolese zu SonntagsBlick: «Der Kongo ist wie ein Kranker, der nicht genesen darf.» Unternehmen und Nachbarländer profitierten von seiner Schwäche. «Gleichzeitig ignorieren sie die internationalen Auflagen zur Sorgfaltspflicht.» Der Schweizer Verein Neno unterstützt Menschen wie ihn:

www.neno-association.ch

Safanto Bulongo (45) arbeitet als Koordinator von Max Impact, einer Initiative, die sich auch mit der Ausbeutung von Rohstoffen im Kongo beschäftigt. Beim Besuch in der Provinz Ituri sagt der Kongolese zu SonntagsBlick: «Der Kongo ist wie ein Kranker, der nicht genesen darf.» Unternehmen und Nachbarländer profitierten von seiner Schwäche. «Gleichzeitig ignorieren sie die internationalen Auflagen zur Sorgfaltspflicht.» Der Schweizer Verein Neno unterstützt Menschen wie ihn:

www.neno-association.ch

Public Eye fordert, dass der Ursprung des Goldes ausgewiesen wird

Marc Guéniat von der Nichtregierungsorganisation Public Eye spricht beim Handel mit schmutzigem Gold von einem Statistikproblem: «Beim Import von Gold wird zwar ausgewiesen, woher es importiert – aber nicht, wo es gewonnen wurde.» Dass das Gold nicht aus Minen in Dubai stammt, sei selbstverständlich klar. Public Eye fordert deshalb, dass künftig auch der Ursprung des Goldes ausgewiesen wird, nicht nur die letzte Zwischenstation. «Es gibt zwar Vorschriften zur Risikoprüfung. Deren Umsetzung kontrolliert jedoch niemand. Händler und Raffinerien wissen, woher ihr Gold stammt – sie müssen gezwungen werden, diese Information öffentlich zu machen.»

Ein mögliches Instrument wäre die Konzernverantwortungsinitiative, so Guéniat. Deren Annahme könnte die Goldschmelzen dazu zwingen, die Risiken in ihrer Handelskette systematisch zu überprüfen. «Heute können sie diese Risiken einfach ignorieren.»

*Namen geändert
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein Neno

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