Wo die Liebe hinfällt, kann sich der Mensch nicht aussuchen. Wenns aber zwischen Kollegen knistert, kanns heikel werden. Hat Herr Müller aus der Vertriebsabteilung ein Verhältnis mit Kollegin Wieland aus der Buchhaltung, ist das im Normalfall für alle zu verkraften.
Dünn wird die die Luft für Liebende jedoch in der Führungsetage. In diesem Fall kann die innerbetriebliche Beziehung zum Risiko fürs Unternehmen werden – wie im Fall von Raiffeisen-CEO Patrik Gisel (56) und Verwaltungsrätin Laurence de la Serna (50).
Einer muss gehen
Stichwort: Interessenkonflikt. Sie sitzt in einem Gremium, das ihren Freund zu überwachen hat. Kann da alles mit rechten Dingen zugehen? Wie hoch ist das Risiko fürs Unternehmen? Vergütungsexperte Urs Klingler (60) plädiert in solchen Fällen für die harte Lösung: «Man muss extrem korrekt vorgehen.» Das heisst: Die Beziehung so früh wie möglich gegen innen und aussen transparent machen. Und wenn sich das Verhältnis als dauerhaft entpuppt, rät Klingler zu einer klaren Entscheidung: «Eine Person muss das Unternehmen verlassen.»
De la Serna hat das gemacht. Ob noch rechtzeitig, ist offen. Gisel beteuert derweil, die Beziehung mit ihr habe erst nach de la Sernas Abgang begonnen. Wendet man Klinglers Massstäbe an, hat sich zumindest die Arbeits- und Liebesbeziehung von Gisel-Vorgänger Pierin Vincenz (62) und seiner Partnerin Nadja Ceregato (48) zu spät entwirrt. Sie war Rechtschefin und er CEO.
Versetzung nur im Notfall
Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber in der Schweiz Liebschaften am Arbeitsplatz nicht verbieten. Ein Glück, denn dies ist nun mal der Ort, wo Frauen und Männer mit gleichartigen Interessen den Grossteil des Tages zusammen verbringen. Man trinkt Kaffee, geht in die Kantine, trifft sich bei Meetings, Firmenessen – und verliebt sich.
Arbeitsrechtliche Folgen kann es haben, wenn ein Liebesverhältnis dem Betrieb schadet. Zum Beispiel, wenn ein Chef oder eine Chefin dem Partner einen Vorteil zuschanzt. Üblicherweise muss bei einer solchen Konstellation einer der beiden Involvierten die Abteilung wechseln.
Auch Verliebte müssen Leistung bringen
Leidet das Arbeitsklima oder die Leistung wegen der privaten Beziehung, kann der Arbeitgeber vom Weisungsrecht gemäss Obligationenrecht Gebrauch machen – im schlimmsten Fall einen der Verliebten versetzen. Allerdings muss die neue Position ebenso gut sein wie die bisherige. Auch wenn sich Kollegen durch die Turteltauben gestört fühlen, muss der Arbeitgeber einschreiten.
Für Chefs sollten strengere Regeln gelten, betont Vergütungsexperte Klingler. «In hohen Ämtern muss man mit Kritik rechnen», sagt er. «Besteht der Makel eines Interessenkonflikts zwischen Privatleben und Firma, muss man Konsequenzen ziehen.»