Alle Welt spricht von Klimawandel und Nachhaltigkeit. Wie passt das Projekt Titlis auf 3000 Meter Höhe in diese Zeit?
Das passt sehr gut zusammen: Die bestehende Gebäudetechnik in der Bergstation hat das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Der Bau stammt von 1967 und wurde dann immer weiter ausgebaut. Der heutige Energieverbrauch von jährlich mehr als 100'000 Liter Heizöl ist enorm und entspricht in keiner Weise den heutigen ökologischen Standards. Neben der architektonischen und ästhetischen Aufwertung der Bauten und Anlagen durch das Projekt von Herzog und de Meuron können mit dem Projekt Titlis vor allem Emissionen sowie der Energie- und Wärmebedarf massiv reduziert werden.
Was heisst das konkret?
Um nur ein paar Zahlen zu nennen: Rund zwei Drittel der Bergstation werden künftig ausschliesslich durch Sonnenenergie und ohne zusätzliche Heizung beheizt. Dies dank der grossflächigen Glasfassade. Ein Vergleich: Der Energiebedarf reduziert sich vom Bedarf von vierzig Einfamilienhäusern auf einen Bedarf von drei Einfamilienhäusern. Und insgesamt reduziert der Neubau die CO₂- und Feinstaubemissionen um 98 Prozent.
Viele Skigebiete schliessen bereits wegen Schneemangels. Werden Sie das Investment von rund 120 Millionen Franken je zurückverdienen?
Wir spüren den Klimawandel an der Grenze des Gletschers, das ist klar. Allerdings ist unser Skigebiet nordseitig exponiert und geht bis auf 3000 Meter hoch. Hier oben haben wir in der Regel von November bis Ende Juli, Anfang August Schnee. Daher gehen wir davon aus, dass wir auch in den nächsten dreissig bis vierzig Jahren am Titlis Ski fahren können. Eventuell haben wir durch die zunehmenden extremeren Wettersituationen sogar mehr Schnee. Zum anderen: Der Titlis ist ein Ausflugsziel, das Skifahren ist nicht unsere primäre Positionierung. Und das Bedürfnis vieler Menschen nach einem Bergerlebnis wird unserer Auffassung nach noch sehr lange bestehen.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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Vielen Umweltschützerinnen gefällt das Projekt überhaupt nicht.
Die erläuterten enormen Veränderungen bei Heizung, Energieversorgung und Emissionen werden von den Umweltverbänden sehr geschätzt. Ebenso die Tatsache, dass von dem rund 9000 Kubikmeter grossen Felsaushub etwa 5000 Kubikmeter für die Betonherstellung verwendet werden. Wir hatten einen sehr fairen und fruchtbaren Austausch mit den Umweltverbänden, etwa mit dem WWF, Pro Natura und dem VCS, weil wir die Bedenken dieser Organisationen ins Projekt aufgenommen haben, wie etwa den Verzicht auf die Anstrahlung/Beleuchtung der Gebäude bei Nacht.
Viele kritisieren, dass Sie noch eine zusätzliche Liftlinie in den Berg bauen.
Korrekt, das war ein Thema für den Landschaftsschutz Schweiz, dass wir noch zusätzlich die Linie zwei bauen. Diese brauchen wir hauptsächlich als Evakuations- und Logistikbahn und auch als Baubahn sowie für den Betrieb für 365 Tage, wenn die Hauptbahn in Revision geht. Für die Stiftung gab es zwei Aspekte: Zum einen sei die 1992 gebaute Rotairbahn ein technisches Wunderwerk, das man nicht konkurrenzieren solle mit einer anderen Linie. Und zum anderen wurde gefragt, warum wir überhaupt eine Evakuationsbahn bräuchten, denn damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, den dann eventuell andere Bergbahnen in der Schweiz nachahmen würden. In der Kritik standen natürlich auch die zusätzlichen Masten und Anlagen der Linie zwei in der Natur.
Wie konnten Sie diese Einwände entkräften?
Bisher erfolgt die Erschliessung mit Strom und Kommunikation auf den Titlis überirdisch, mit zahlreichen Masten. Wir haben uns dazu verpflichtet, zukünftig alles in den Boden zu verlegen und diese Masten abzubauen. Zudem werden wir auch Wasser und Abwasser unterirdisch verlegen und brauchen dann oben auf dem Berg keine Kläranlage mehr. Diese vier Massnahmen haben die Stiftung überzeugt, daher erfahren wir auch diese grosse Unterstützung.
Mit welchen Gästezahlen haben Sie für das Projekt gerechnet?
Mit dem Projekt wollen wir hauptsächlich die Erlebnisqualität für die einzelnen Gäste steigern und als Betrieb nachhaltiger werden. Eine Kapazitätssteigerung ist nicht das Ziel. Trotzdem gehen wir davon aus, dass die Attraktivität des Projekts zusätzliche Gäste generieren wird, und rechnen mit einer moderaten und kontinuierlichen Steigerung der Gästezahlen. Dies nicht zuletzt, weil der Titlis dank der zweiten Linie auch während der Revisionszeit der Rotairbahn erreichbar sein wird. Statt 352 werden wir neu 365 Tage in Betrieb sein können.
Woher kommen Ihre Gäste?
Im Schneesport haben wir eine Ausrichtung wie andere Skidestinationen, mit einer Mischung aus Schweizerinnen, Schweizern und internationalen Gästen. In diesem Segment stammen die meisten internationalen Gäste aus Deutschland und Skandinavien. Gerade unser Freeride-Berg wird sehr geschätzt. Ein weiteres Segment sind die individuell reisenden Ausflugsgäste. Hier verzeichnen wir eine starke Zunahme aus Nord- und Südamerika. Das dritte Segment sind die Gruppenreisen mit Besuchenden, insbesondere aus China und Indien.
Stellen indische und chinesische Gäste vergleichbare Anforderungen?
Die indischen Gäste sind viel individueller unterwegs als noch vor ein paar Jahren. Indische Gäste essen beispielsweise überwiegend vegetarisch, sprechen in der Regel sehr gut Englisch und tauschen sich oft mit unseren Mitarbeitenden aus. Chinesische Besuchende reisen heute noch überwiegend in Gruppen, sprechen selten Englisch. Aber auch bei ihnen rechnen wir in Zukunft mit einer Verlagerung zum Individualtourismus.
Wann werden die ersten Teilprojekte abgeschlossen?
Im Dezember 2024 wird die angesprochene Linie zwei in Betrieb genommen. Das hilft uns bei der Logistik. Im Winter/Frühling 2026 soll die Erneuerung des Aussichtsturms abgeschlossen sein, mit einem Restaurant, einer Bar, einer Aussichtsterrasse und einer Ausstellungsfläche. Ab 2026 erfolgt dann der Rückbau der jetzigen Bergstation. Die neue Bergstation soll Ende 2028 in Betrieb gehen.
Dieses Jahr wurde mit dem Bau begonnen. Wie kommen Sie voran?
Wir sind absolut im Plan. Kleinere Verzögerungen hier und da gibt es immer mal. Es ist schon eine Herausforderung, eine Baustelle auf dieser Höhe einzurichten und zu organisieren. Aber die lange Schönwetterlage im Herbst hat dazu geführt, dass wir im Plan sind. In dieser Woche machen wir jetzt die Baustelle winterfest und wintersicher.
Das heisst, im Winter passiert nichts mehr auf der Baustelle?
Wir nutzen die Wintermonate, um das zurückgebaute Material, das jetzt im und beim Turm gelagert ist, Schritt für Schritt den Berg hinunterzubringen und zu entsorgen. Das ist auch ein komplizierter Prozess.
Warum?
Material den Berg hinauf zu bekommen, ist relativ einfach, da ist alles vorkonfektioniert und gut verpackt. Aber die abgebauten Infrastrukturen der Gebäude oben auf dem Berg müssen zunächst für den Transport zusammengepackt werden, das ist schon etwas aufwendiger.
Wie stark haben Sie regionale Betriebe in den Bau miteinbezogen?
Wir haben stark darauf geachtet, lokale und regionale Firmen aus der Zentralschweiz in das Projekt zu involvieren. Das ist natürlich nicht für alle Spezialgebiete möglich, bei solch einem komplexen Projekt über fünf Jahre braucht man erfahrene Unternehmen. Es gibt zwei ganz grosse Gewerke bei diesem Projekt: zum einen das Bauwerk – hier sind die Schweizer Baufirmen Marti, Porr Schweiz und Bürgi unsere Partner, sie sind als Arbeitsgemeinschaft organisiert. Etwa ein Viertel des gesamten Investments ist das Bauwerk. Das zweite grosse Gewerk ist der Stahl- und Fassadenbau. Da muss man ehrlich sein und feststellen, dass das in dieser Dimension und von den Anforderungen her nur ganz wenige Firmen können. Daraus hat sich eine Gruppe formiert von Schweizer Unternehmen, die das Projekt bei uns umsetzen: Stahlbau Josef Meier, Ruch Metallbau, die Wetter-Gruppe und Aepli. Dann gibt es noch unterliegende Gewerke, zum Beispiel Elektriker, Bodenbeläge und so weiter. Hier sind in der Regel Zentralschweizer Firmen beauftragt. Den ganzen Bereich Rolltreppen und Aufzüge betreut die Zentralschweizer Firma Schindler.
Was ist aktuell die grösste Herausforderung?
Konzeptuell ist alles gut aufgegleist, zeitlich sind wir im Plan. Eine der grössten Herausforderungen bei einer Baustelle auf 3000 Metern ist sicher das Wetter. Auch die Logistik erfordert viel Planung, damit das benötigte Material zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Unser Logistikteam hat hier über den ganzen Sommer einen sehr guten Job geleistet. Für mich persönlich ist es aber am wichtigsten, dass die rund hundert Arbeitenden jeweils gesund vom Berg runterkommen.