Das fordern Bauarbeiter und Gewerkschaften
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Grosse Büezer-Demo in Zürich:Das fordern Bauarbeiter und Gewerkschaften

Baumeister-Boss Gian-Luca Lardi (52) vor der Grossdemo der Gewerkschaften in Zürich
«Viele Demonstranten werden für ihre Teilnahme bezahlt»

Den Bauarbeitern steht ein heisses Jahr bevor: Während die Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag auf Hochtouren laufen, rufen die Gewerkschaften zur Attacke gegen den Baumeisterverband auf. Verbandspräsident Gian-Luca Lardi hält dagegen.
Publiziert: 24.06.2022 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2022 um 15:30 Uhr
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Der Schweizerische Baumeisterverband und die Gewerkschaften verhandeln dieses Jahr einen neuen Landesmantelvertrag fürs Bauhauptgewerbe.
Foto: PIUS KOLLER
Interview: Martin Schmidt

Für die Büezer steht aktuell mit den Verhandlungen für einen neuen Landesmantelvertrag (LMV) viel auf dem Spiel. Die Gewerkschaften und der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) kämpfen dabei mit harten Bandagen. «Die Baumeister haben sich am Verhandlungstisch immer nur dann bewegt, wenn wir uns auf den Baustellen und auf der Strasse bewegt haben», heisst es auf Gewerkschaftsseite. Unia und Syna rufen deswegen an diesem Samstag zur grossen Bau-Demo in Zürich auf. SBV-Präsident Gian-Luca Lardi (52) gibt Gegensteuer, geht im Blick-Interview nun selbst in die Offensive.

Blick: Die Gewerkschaften gehen während der laufenden Verhandlungen auf die Strasse. Was halten Sie davon?
Gian-Luca
Lardi: Die Gewerkschaften haben, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben, bereits das Datum für eine Demonstration bekannt gegeben. Also noch bevor sie sich unsere Anliegen angehört haben. Das ist schon ziemlich bezeichnend. Gerade in der Baubranche gibt es Gewerkschaften, die losgelöst vom tatsächlichen Verhandlungsverlauf aus Marketinggründen Demonstrationen organisieren.

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Gehen die Baumeister deswegen mit Wut im Bauch in die Verhandlungen?
Ich erlebe in der Branche eine absolut entspannte Stimmung, frei von jeglichen Gehässigkeiten. Die Bauarbeiter auf den Demonstrationen machen ja meist nur einen kleinen Anteil aus. Viele Demonstranten sind Angestellte der Gewerkschaften oder sonstige Personen, die für ihre Teilnahme bezahlt werden. Sie rufen zudem dazu auf, Familie, Freundinnen und Freunde und Kollegen an die Demonstration mitzubringen.

Das Parlament hat von den Gewerkschaften mehr Transparenz gefordert, wofür sie die Gelder der paritätischen Kommissionen nutzen.
Die Kritik aus dem Ständerat hat schon etwas: Es ist einfacher, Mitglieder zu mobilisieren, wenn man diesen mehrere Hundert Franken pro Jahr zurückerstatten kann. Die Legitimation dieser Finanzflüsse stellt die Politik infrage. Auch wir sehen hier Handlungsbedarf und werden dies mit den Gewerkschaften ansprechen.

Der Baumeister-Präsident

Gian-Luca Lardi (52) ist seit Anfang 2015 Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV. Der Bauunternehmer aus der italienischen Schweiz wurde Anfang Mai von der Generalversammlung des SBV für vier weitere Jahre in seinem Amt bestätigt. Lardi hat an der ETH Zürich Civil Engineering studiert und einen MBA in General Management.

Gian-Luca Lardi (52) ist seit Anfang 2015 Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV. Der Bauunternehmer aus der italienischen Schweiz wurde Anfang Mai von der Generalversammlung des SBV für vier weitere Jahre in seinem Amt bestätigt. Lardi hat an der ETH Zürich Civil Engineering studiert und einen MBA in General Management.

Wie steht es um die Transparenz bei den Baumeistern?
Eine glaubwürdige Sozialpartnerschaft braucht Transparenz. Auf Arbeitgeberseite stehen wir dafür ein. Die Sozialpartnerschaft ermöglicht es, auf die Branche zugeschnittene Lösungen zu finden. Diese sind häufig besser als generelle Gesetzesregulierungen. Das Ansehen der Sozialpartnerschaft ist ein zentraler Wert für uns.

Wo stehen Sie bei den Verhandlungen für den neuen Landesmantelvertrag?
In etwa in der Mitte. In den bisherigen Verhandlungsrunden haben wir uns auf die gemeinsamen Interessen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden fokussiert. Die Gespräche laufen konstruktiv und in einem entspannten Rahmen ab. Das war nicht von Anfang an so. Wir haben schon festgestellt, dass es für Gewerkschaften eher unüblich ist, über gemeinsame Interessen zu sprechen. Nun bin ich aber einigermassen optimistisch.

Dass Sie eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten in den Vertrag kriegen?
Die Flexibilisierung muss differenziert betrachtet werden. Einerseits, wie wir die Arbeitsstunden übers Jahr verteilen können, und andererseits, wie viele Stunden pro Woche gearbeitet werden dürfen. Mit Blick auf die Gesundheit der Arbeiter ist es auch nicht in unserem Interesse, dass pro Woche endlos Stunden gebolzt werden können.

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Aber?
Unsere Mitgliederfirmen brauchen mehr Spielraum übers Jahr verteilt. Das betrifft besonders das Berggebiet mit seinen saisonalen Schwankungen. Dabei sprechen wir nicht von 70 Stunden-Wochen oder Ähnlichem, sondern von der Möglichkeit, einfacher und flexibler auf die konkreten Umstände im Betrieb reagieren und einzelne Stunden im Rahmen der Jahresarbeitsstunden leichter anders einplanen zu können.

Sektionen des Baumeisterverbands forderten mehrfach bezahlbare Löhne. Blühen manchen Büezern Lohneinbussen?
Selbstverständlich sind auch die Löhne eine wichtige Komponente bei den Verhandlungen. Von Senkungen der Mindestlöhne war im Rahmen der LMV-Verhandlungen von unserer Seite aber nie die Rede. Wir zahlen heute die höchsten Handwerkerlöhne Europas und sind offen, über Lohnerhöhungen zu reden. Es ist aber immer eine Frage des Gebens und Nehmens.

Kritik am «Businessmodell der Gewerkschaften»

«Das Parlament fordert von den Gewerkschaften in einer Motion mehr Transparenz. Aktuell zahlen Arbeitgeber und die Arbeitnehmer Geld in sogenannte Vollzugsfonds ein, welche die Aufgaben der paritätischen Kommissionen finanzieren. Gewerkschaften zahlen ihren Mitgliedern bis zu 80 Prozent des Mitgliederbeitrags über sogenannte Kickbacks zurück, die über diesen Fonds finanziert werden. «Die Praktiken, die sich hier in den vergangenen Jahren eingeschlichen haben, haben nicht mehr viel mit dem zweckbestimmten Einsatz der Gelder zu tun. Das sieht nach einem Geschäftsmodell der Gewerkschaften aus», kritisiert Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth (58). Die Gelder in den Fonds sind für die Förderung der Berufs- und Weiterbildung und Kontrollen vorgesehen. «Nun soll die Finanzkontrolle prüfen, ob darüber auch Mitgliederbeiträge finanziert werden dürfen», so Reichmuth. Unia-Sprecher Christian Capacoel hält dagegen: «Das stimmt nicht. Es gibt keine Reduktion der Mitgliederbeiträge.» Die teilweise Rückerstattung des Berufsbeitrags habe den Zweck, dass Gewerkschaftsmitglieder nicht doppelt zahlen müssten. «Es ist gerade das Ziel des Prinzips, dass Nichtmitglieder nicht nur vom Nutzen des LMV profitieren, sondern sich auch daran beteiligen.» Die Demonstration am Samstag finanziere die Unia übrigens mit Mitgliederbeiträgen. Martin Schmidt

«Das Parlament fordert von den Gewerkschaften in einer Motion mehr Transparenz. Aktuell zahlen Arbeitgeber und die Arbeitnehmer Geld in sogenannte Vollzugsfonds ein, welche die Aufgaben der paritätischen Kommissionen finanzieren. Gewerkschaften zahlen ihren Mitgliedern bis zu 80 Prozent des Mitgliederbeitrags über sogenannte Kickbacks zurück, die über diesen Fonds finanziert werden. «Die Praktiken, die sich hier in den vergangenen Jahren eingeschlichen haben, haben nicht mehr viel mit dem zweckbestimmten Einsatz der Gelder zu tun. Das sieht nach einem Geschäftsmodell der Gewerkschaften aus», kritisiert Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth (58). Die Gelder in den Fonds sind für die Förderung der Berufs- und Weiterbildung und Kontrollen vorgesehen. «Nun soll die Finanzkontrolle prüfen, ob darüber auch Mitgliederbeiträge finanziert werden dürfen», so Reichmuth. Unia-Sprecher Christian Capacoel hält dagegen: «Das stimmt nicht. Es gibt keine Reduktion der Mitgliederbeiträge.» Die teilweise Rückerstattung des Berufsbeitrags habe den Zweck, dass Gewerkschaftsmitglieder nicht doppelt zahlen müssten. «Es ist gerade das Ziel des Prinzips, dass Nichtmitglieder nicht nur vom Nutzen des LMV profitieren, sondern sich auch daran beteiligen.» Die Demonstration am Samstag finanziere die Unia übrigens mit Mitgliederbeiträgen. Martin Schmidt

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