Banken-Experte über Panama Papers und die USA
«Schamlose, imperialistische Doppelmoral!»

Auch Schweizer Banken sollen in den «Panama Papers»-Skandal verwickelt sein. Beim Finanz-Anwalt Michael Kunz sorgt die Affäre primär für Belustigung. Er warnt vor voreiligen Schlüssen und übt Kritik an den USA.
Publiziert: 05.04.2016 um 10:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:09 Uhr
Millionen neue Dokumente aus Panama geben einen Einblick in die Welt der Offshore-Konstrukte.
Foto: REUTERS
Interview: Christoph Lenz

Alle Welt redet von den «Panama Papers». Wie beurteilen Sie die Informationen aus dem Datenleck der Grosskanzlei Mossac Fonsecka?
Michael Kunz: Ich nehme das mit Interesse und Belustigung zur Kenntnis.

«Es wird ein Katz-und-Maus-Spiel bleiben»: Der Berner Finanz-Anwalt Michael Kunz glaubt nicht, dass Steuerhinterziehung und Geldwäscherei ausgemerzt werden kann.

Mit Belustigung? Das müssen Sie erklären. 
Bis jetzt gibt es nichts Neues in diesen «Panama Papers». Offshore-Firmen und -Konstrukte existieren schon seit Jahrzehnten, in den letzten 20 Jahren ist die Zahl dieser Gesellschaften förmlich explodiert. Dank verschiedenen Leaks hat die Öffentlichkeit in jüngerer Zeit einen vertieften Einblick in dieses Geschäft erhalten. In den Medien werden diese Fälle jeweils breit diskutiert. Eine ganz andere Frage ist, ob hier auch rechtlich relevante Informationen vorliegen.

Ein Cellist und enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin konnte bei der Gazprom Bank Schweiz Geld mit dubioser Herkunft platzieren. Das ist gewiss rechtlich relevant. 
Der Vorwurf, eine Bank habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt, ist sehr schnell erhoben. Aufgrund meiner Erfahrung in solchen Geschichten kann ich sagen: Es gibt natürlich immer schwarze Schafe, aber in der Schweiz werden diese Pflichten grundsätzlich sehr sorgfältig eingehalten. 

Danach sieht es im Fall des Cellisten nicht aus.
Zum konkreten Fall kann ich mich nicht äussern. Ich will aber darauf hinweisen, dass die Möglichkeiten der Banken, die Herkunft von Geldern abzuklären, beschränkt sind. Zudem: Wenn es auf Schweizer Konten Vermögen aus dem Dunstkreis von Putin gibt, wird der russische Staat natürlich bestätigen, dass das Geld sauber ist. Auch wenn nach unserem Verständnis vielleicht nicht alles korrekt abgelaufen ist. 

Ein anderes Beispiel: Der isländische Premierminister war Teilhaber einer Offshore-Gesellschaft. 
Davon habe ich auch gehört. Es soll bereits Aufrufe zu Demonstrationen gegen ihn geben. Aber auch hier gilt: Wenn der Premierminister alles sauber deklariert hat, ist da nichts Anrüchiges dran. Offshore-Gesellschaften sind prinzipiell legal. Nur ihre Verwendung für Steuerhinterziehung, Geldwäscherei und so weiter ist illegal.

Die Schweiz spielt in den «Panama Papers» eine prominente Rolle. Die Finma reagierte gestern aber sehr zurückhaltend auf die Enthüllung. Fehlt ihr der Mut?
Nein, die Finma verhält sich genau richtig. Erst wenn sie die Vorwürfe fundiert abgeklärt hat, kann sie dazu auch Stellung nehmen. 

Die Luft für Steueroasen wird immer dünner. Auch die Schweiz hat das Bankgeheimnis aufgeweicht. Trotzdem gibt es immer neue Leaks mit Missständen. Warum zeigt der Kampf gegen Steueroasen keine Wirkung?
Die Situation bessert sich durchaus. Bis 1990 war Geldwäscherei nicht strafbar. Seither ist ein Kulturwandel im Gang, der faktisch die Aufhebung des Bankgeheimnisses herbeiführte. Die Spirale wird sich weiterdrehen, somit werden auch immer weitere Fälle ans Licht kommen.

Wie beurteilen Sie die Position der Schweiz in diesem Wettbewerb?
Mit der Einführung des Automatischen Informationsaustausches wird die Zusammenarbeit zwischen Steuerbehörden stark intensiviert. Ich bin überzeugt, dass die klassischen Offshore-Destinationen im Zuge dieser Entwicklung massiv an Bedeutung verlieren werden. Für die Schweiz sind die Schmerzen derzeit gross, mittelfristig wird sie aber profitieren. 

Trotz Offshore-Boom läuft der Trend also gegen die Kriminellen?
Es wird ein Katz-und-Maus-Spiel bleiben. Es wird immer welche geben, die versuchen werden, ihr Geld zu verbergen. Aber wer als Bürger eines Industriestaats in grossem Stil Vermögenswerte hinterziehen will, wird es künftig deutlich schwieriger haben. 

Haben die Reichen ihr Vermögen heute «sauberer» angelegt?
Auf jeden Fall. Eine Ausnahme sind einzig die USA. Sie sind heute wahrscheinlich der grösste Offshore-Platz der Welt. Und die Regierung macht keine Anstalten, sich selbst an die Standards zu halten, die sie Europa aufzwang.

Darin kommt eine gewisse Doppelmoral zum Ausdruck. 
Eine absolut schamlose, freche, imperialistische Doppelmoral.

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