Darum gehts
- 13-jähriger Junge sitzt in Bangkok fest, nachdem Swiss ihn ausgeladen hat
- Vater kämpft gegen Bürokratie, um seinen Sohn heimzuholen
- Extrakosten für Hilfsperson und Attest belaufen sich auf 598 Franken
Familienvater Jochen Backenecker (55) aus Dübendorf ZH erhält Ende April eine Schocknachricht: Sein Sohn Léon (13) sitzt in der Thai-Hauptstadt Bangkok fest und kann nicht zurück in die Schweiz reisen. Weil die Swiss Léon noch vor dem Abflug aus dem Flugzeug geworfen hat.
Was ist passiert? Backenecker schildert seinen Kampf gegen die Zeit und die Bürokratie so: Léon reist im April allein nach Bangkok und trifft vor Ort auf seinen älteren Bruder Rafael (30) und dessen Familie, die in Thailand ihre Ferien verbringen. Bei der Swiss ist für 170 Franken pro Wegstrecke ein Begleitservice gebucht («UM», für «Unaccompanied Minor» oder «unbegleiteter Minderjähriger»). Swiss nimmt das Kind am Flughafen Zürich in Empfang, begleitet es zum Flugzeug, betreut es an Bord und begleitet es am Ankunftsort Bangkok wieder vom Flugzeug bis zum Empfang durch die Familie. So weit, so gut.
Alles läuft problemlos und nach unbeschwerten Ferien steht der Rückflug am 30. April an. Da kommt laut Backenecker der Hammer: Léon erleidet im Flugzeug vor dem Abflug einen Hustenanfall, was die Flugbegleiterin dann dem Piloten meldet. Der entscheidet, dass Léon nicht mitreisen darf. Der Bub wird «ausgeladen». Immerhin: Die Swiss kontaktiert Léons Bruder, der ihn abholen muss.
Wettlauf gegen die Zeit beginnt
Das Problem: Bruder Rafael fliegt anderntags mit seiner Familie ebenfalls zurück in die Schweiz. «Zum Glück nicht noch am selben Tag», sagt Backenecker. Denn es bleibt zunächst völlig unklar, wie es weitergeht. Kann Léon am Folgetag nicht heimfliegen, bleibt er allein in Bangkok zurück. Eine Horrorvorstellung für den Betriebsleiter einer Autogarage.
Backenecker ruft zunächst das Swiss Service Center an. Dort sagt ihm eine Mitarbeiterin, dies sei nicht das Problem der Swiss. Backenecker traut seinen Ohren nicht. Bei einem erneuten Anruf empfiehlt eine zweite Swiss-Mitarbeiterin immerhin, dass Léon einen Arzt aufsuchen soll, um ein Flugfähigkeitsattest zu erhalten. Mit diesem könnte Swiss versuchen, Léon auf den nächsten verfügbaren Flug zu setzen. Was sie nicht sagt: dass nur ein Spital-Attest gültig ist.
Zwei Ärzte weisen Léon ab, im Spital gibt es innert Minuten das Papier. Mit dem Hinweis, Léon müsse mit Mundschutz fliegen. «Warum war dies nicht von Beginn an eine Option?», nervt sich Backenecker.
Vorwürfe gegen den Vater
Dann beginnt das Warten. Der verzweifelte Vater meldet sich mehrmals bei Swiss, erhält jedoch keine verbindliche Zusage, dass sein Sohn den Flug am nächsten Tag nehmen kann. Léon solle am 1. Mai mitsamt Attest zum Flughafen kommen, heisst es nur.
In Panik kontaktiert Backenecker auch die Schweizer Botschaft und das EDA. Dort habe sich keiner zuständig gefühlt: «Wir mussten uns sogar Vorwürfe anhören, dass wir unser Kind allein reisen lassen!»
Rafael reist am 1. Mai frühmorgens heim. Weil Léon viel später fliegt, braucht es eine Hilfsperson, die Léon zum Flughafen bringt, der Swiss zum vereinbarten Zeitpunkt übergibt und, wie vorgeschrieben, bis nach Abflug des Flugzeugs am Flughafen bleibt. Das kostet laut Backenecker 20'000 Baht (500 Franken), zusätzlich zu den Attestkosten von 3900 Baht (98 Franken).
Swiss sieht keinen Fehler bei sich
Léon kann zum Glück heimreisen, sei aber «traumatisiert» von der Sache. Backenecker stört sich am ungerechtfertigten Rausschmiss, wie er sagt. Zudem seien die Eltern, die nicht sofort kontaktiert wurden, verunsichert worden.
Swiss-Sprecher Michael Stief zeigt Verständnis dafür, hält jedoch fest: Ein Pilot darf Passagiere wegen Krankheit aus dem Flugzeug entfernen lassen. In einem solchen Fall werde standardmässig die Begleitperson des Kindes am Flughafen kontaktiert.
Zudem sei es ratsam, mögliche Komplikationen bei der Reiseplanung zu berücksichtigen: «Ab dem Zeitpunkt, an dem das Kind wieder der Begleitperson übergeben wird, ist Swiss nicht mehr für dieses verantwortlich.» Eine Ausnahme gebe es nur, wenn ein Anschluss in Zürich nicht gewährleistet wird: «Dann übernehmen wir die Betreuung des Kindes, und sollte eine Hotelübernachtung nötig sein, wird eine weibliche Person in einem Zimmer mit Verbindungstür neben dem Zimmer des Kindes übernachten, in Absprache mit den Abholern am Endziel.»
Immerhin ging die Sache glimpflich aus. Doch Backenecker hält fest: «Die Service-Abläufe für diesen Vorfall waren alles andere als gut.»