Darum gehts
Sein Auto sei ausgebrannt, meldet ein Betroffener seiner Versicherung. Das Snowboard samt Ausrüstung im Wagen: angeblich nicht mehr brauchbar. Nachforschungen der Versicherung zeigen jedoch: Im Auto war kein Snowboard.
Diesen Fall eines versuchten Betrugs deckten aufwendige Ermittlungen auf. Überführen Versicherungen einen Kunden, haben sie das Recht, den gesamten Schaden abzulehnen. Das sagt David Schaffner, Sprecher der Zurich Versicherung, die mit dem Fall konfrontiert war.
Zehn Prozent Falschmeldungen
Betrug sei häufiger als allgemein angenommen, hält Schaffner fest. «Die Schweizer Versicherer gehen davon aus, dass rund zehn Prozent der gemeldeten Ansprüche missbräuchlich sind.» Um diese Fälle aus der riesigen Menge herauszufiltern, setzt die Zurich seit Jahren auf Software. Ein Team aus Ermittlern analysiert die verdächtigen Meldungen. Eine Methode, die nun durch ein eigenes Tool aus künstlicher Intelligenz abgelöst wird. Seit einem Jahr wird die KI eingesetzt – «für Erkenntnisse ist es noch zu früh», sagt Schaffner.
Offenkundig sei, dass mehr Fälle geprüft würden, weil das KI-System eine grössere Datenmenge bearbeiten kann. Deshalb baut die Zurich Versicherung das Team der Schadenspezialisten aus.
Die KI habe der Axa in einigen Fällen schon geholfen, Fälschungen oder Widersprüche zu erkennen, sagt Sprecherin Simona Meili. Von diesem Hilfsmittel verspreche sich die Axa, zusätzliche Fälle zu erkennen, die bisher mit der vorhandenen Software und der persönlichen Analyse nicht aufgedeckt worden seien. Zudem erhoffe sich die Versicherung, dank KI weniger falsche Verdachtsfälle behandeln zu müssen. Meili betont aber auch: «Wir befinden uns noch in der Entwicklungsphase.» Die Axa beschäftigt 35 Angestellte für die Betrugsbekämpfung.
Kein Muster
Versicherungsexperten betonen, es gebe kein klassisches Profil von Betrügern. Kunden aus allen Schichten würden wegen Falschangaben ertappt. Da es kein Muster gibt und die Zahl der Meldungen immens ist, hat die künstliche Intelligenz bei der Mobiliar Versicherung wesentliche Bedeutung erlangt. Sprecher Jürg Thalmann sagt: «Jeder gemeldete Schadenfall wird maschinell nach klaren Regeln geprüft, was ohne Unterstützung von KI nicht möglich wäre.» Erreiche ein Fall einen gewissen Punktewert, der einen Verdacht angebe, werde das Dossier von einem Spezialisten manuell untersucht.
«Der Entscheid, ob ein Missbrauch vorliegt, wird nie an eine Maschine delegiert, betont Thalmann.» Die Abteilung zur Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch ist laut dem Mobiliar-Sprecher mit 35 Stellen dotiert.
KI helfe zum Beispiel, gefälschte Rechnungen und Dokumente zu erkennen, die in der grossen Menge von Meldungen von einem Mitarbeiter nicht zwingend bemerkt würden, sagt Valérie Beauverd von den Vaudoise Versicherungen. Sämtlichen Verdachtsfällen nähmen sich dann aber Menschen an. «Dass Zweifel an einem Schaden bestehen, bedeutet nicht unbedingt, dass ein Betrug vorliegt», betont Beauverd.
Die Sprecherin fügt denn auch an: «Die Technologie ist noch nicht ganz ausgereift, und es gibt viele Fehlalarme.» Wenn tatsächlich Missbrauch vermutet werde, habe die beschuldigte Person Anspruch auf rechtliches Gehör.
KI stelle für die Vaudoise Versicherungen ein zusätzliches Instrument dar, das eine Zeitersparnis bringe. «Es werden jedoch weit mehr Fälle entdeckt, als wir bearbeiten können», räumt Beauverd ein. In der Konsequenz werde der Aufwand an Ressourcen, die in die Ermittlungen gesteckt würden, künftig «eher zunehmen».
Mehr Arbeit
Dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz den Personalaufwand erhöht, bestätigt Nicole Hess, Sprecherin der Baloise Versicherung. Wegen der Zunahme der Verdachtsfälle, die ein Tool herausfiltere, nehme die Arbeit zu. «Die KI ist sehr nützlich in der Erkennung.» Die inhaltliche Bearbeitung der komplexen Fälle könne die künstliche Intelligenz aber nicht übernehmen.
Wie viele Angestellte bei der Baloise – die mit den Helvetia Versicherungen fusionieren wird – mit der Betrugsbekämpfung betraut sind, gibt Hess nicht bekannt.
Die Generali Versicherung setzt noch keine KI-Tools zur Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch ein. Sprecherin Sandra Weber sagt, «mittelfristig» sei dies aber vorgesehen. Damit könnten umfangreiche Daten schneller und effektiver ausgewertet werden. Doch Weber betont: «Unsere Fachleute werden das wichtigste Glied in der Kette bleiben.»