Aufsichtsdebakel auf Kosten der Versicherten
Pensionskasse der Rapperswil-Jona Lakers vor dem Ruin

In den Skandal um die PK Phoenix ist nicht nur die Schwyzer Kantonalbank involviert. Auch die Aargauer Pensionskassen-Aufsicht hat sich verrannt.
Publiziert: 22.01.2022 um 17:58 Uhr
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Aktualisiert: 22.01.2022 um 21:06 Uhr
Die Rapperswil-Jona Lakers haben ihr Vorsorgegeld bei der PK Phoenix parkiert.
Foto: Keystone
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Danny Schlumpf

Die Aargauer Pensionskasse Phoenix steht vor dem Ruin wie SonntagsBlick vor einer Woche berichtete. Die Vorsorgeeinrichtung hat ein Loch von zwölf Millionen Franken – ein Desaster für die Versicherten. Auch der Eishockeyklub Rapperswil-Jona Lakers hat seine Vorsorgegelder bei der PK Phoenix parkiert: «Wir hoffen, dass die Verursacher dieses Debakels Verantwortung übernehmen», sagt Lakers-CEO Markus Bütler.

Ein forensischer Untersuchungsbericht im Auftrag der PK Phoenix zeigt: Verantwortlich sind massive Buchungsfehler in den Jahren 2015 und 2016. Damals verwaltete die Nova-Holding die Kasse der PK Phoenix. Die Schwyzer Kantonalbank (SZKB) war massgeblich an dieser Holding beteiligt. Doch diese gibt den Phoenix-Verantwortlichen die Schuld: Die hätten schon 2013 mit krummen Immobiliengeschäften in Lütisburg SG das Millionenloch verursacht.

Auf diese Version der Geschichte legte sich auch die Aargauer Pensionskassenaufsicht BVSA fest – und hat sich verrannt. Das zeigen Recherchen von SonntagsBlick und SRF.

2016 bemerken die Phoenix-Verantwortlichen massive Unstimmigkeiten in der Buchhaltung und wollen deshalb der Nova-Holding und der Schwyzer Kantonalbank kündigen. Die reagieren mit der Brechstange: Sie machen eine Anzeige bei der BVSA – gegen die PK Phoenix, die sie selber verwalten. Der Vorwurf: mutmassliche Verstösse und Straftaten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt in Lütisburg von 2013.

Stiftungsrat vorschnell abgesetzt

Die Aufsicht reagiert prompt. Sie setzt den gesamten Phoenix-Stiftungsrat ab – ohne ihm rechtliches Gehör zu gewähren. An seiner Stelle übernimmt ein von der BVSA bestellter Sachwalter die Leitung. Doch das Bundesverwaltungsgericht pfeift die Aufsicht umgehend zurück. «Die vorliegende Gehörsverletzung wiegt schwer», rügt das Gericht und setzt den Stiftungsrat wieder ein.
Ein halbes Jahr später schickt die Nova-Holding eine Rechnung an die BVSA. Sie stammt von einer Zürcher Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Schwyzer Kantonalbank arbeitet. Es handle sich um Aufwände im Zusammenhang mit dem Aufsichtsverfahren gegen die PK Phoenix, schreibt die Holding an BVSA-Geschäftsführer Martin S. Mayer: «Wir erlauben uns, Ihnen beiliegend die Rechnung in der Höhe von CHF 37'818.85 zu unserer Entlastung zuzustellen.»

Hat die kantonale Aufsicht die Rechnung einer Streitpartei in einem Aufsichtsverfahren übernommen? Haben die SZKB-Anwälte Arbeiten für die Aufsicht gemacht? Die BVSA beantwortet diese Fragen nicht. Geschäftsführer Mayer verweist auf das Amtsgeheimnis.

2017 wird die BVSA erneut aktiv: Ein Verwaltungsratsmitglied der Nova-Holding stellt ein Word-Dokument fertig, das eine Liste von Vorwürfen gegen die Phoenix-Verantwortlichen rund um das Bauprojekt in Lütisburg aufführt. Genau die gleichen Vorwürfe tauchen anschliessend in einem Bericht des von der Aufsicht eingesetzten Sachwalters wieder auf. Sie wurden bis heute nie untersucht. Doch die BVSA setzt den Phoenix-Stiftungsrat mit Verweis auf den Bericht zum zweiten Mal ab. Warum hat sie die Vorwürfe ungeprüft übernommen? Auch dazu schweigt die Behörde.

Aufsicht verliert erneut vor Gericht

Der Phoenix-Stiftungsrat wehrt sich erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht – und bekommt wieder recht. Die Vorwürfe der BVSA seien ungenügend abgeklärt worden, hält das Gericht im Urteil fest. Der Fall landet schliesslich vor dem Bundesgericht. In Erwartung des Urteils schreibt BVSA-Chef Mayer in einem E-Mail: «Sollte nichts zu unseren Gunsten eintreffen, wird die BVSA im Sinne eines ‹Plans B› eine neue Verfügung erlassen. Gründe dazu gibt es ja viele …»

Tatsächlich schmettert das Bundesgericht Anfang 2019 das Begehren der Aufsichtsbehörden ab und setzt den Phoenix-Stiftungsrat wieder ein. Und wie angekündigt lässt sich BVSA-Chef Mayer vom höchstrichterlichen Urteil nicht beirren: Im Sommer 2019 schreibt er den Phoenix-Verantwortlichen, es sei nun an der Zeit für einen neuen Sachwalter – und fügt hinzu: «Im Unterlassungsfalle respektive obstruktivem Verhalten ist wohl klar, wer für das Chaos verantwortlich sein wird.» In einem zweiten Schreiben legt Mayer nach und fordert die Phoenix-Verantwortlichen zum freiwilligen Rücktritt auf.

In deren Augen hat der Aufseher die Rolle des unparteiischen Schiedsrichters damit endgültig abgelegt. Sie fordern vom Aargauer Regierungsrat, den BVSA-Chef wegen Befangenheit in den Ausstand zu beordern. Die Regierung lehnt ab. Doch das kantonale Verwaltungsgericht korrigiert den Entscheid und schickt Mayer im Frühling 2020 in den Ausstand.

«Bezahlen müssen die Versichtern»

Wie oft kommt so etwas vor? Manfred Hüsler ist Direktor der Pensionskassen-Oberaufsicht des Bundes (OAK BV). Er sagt: «Ein solcher Fall ist uns seit der Gründung der Oberaufsicht nicht bekannt.» Warum hat Hüslers Behörde im Fall Phoenix nie eingegriffen? «Wir setzen generelle Standards für den Vollzug», sagt Hüsler. «Aber wir dürfen nicht in Einzelfällen intervenieren. Unsere Kompetenzen gegenüber den kantonalen Stellen sind begrenzt.»

Das bestätigt Sozialversicherungsexperte Michael Meier, Rechtsanwalt und Oberassistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Uni Zürich: «Die OAK BV kann kantonale Aufsichten nicht sanktionieren. Das entspricht exakt dem vom Bundesgesetzgeber mit der Strukturreform bewusst gewählten System.»

Intervenieren könnte hingegen der Regierungsrat. Er wählt auch den Verwaltungsrat der kantonalen Aufsichtsbehörde. Der wiederum kann fehlbares Verhalten der Mitarbeiter sanktionieren. Doch weder die Aargauer Regierung noch der BVSA-Verwaltungsrat sahen im vorliegenden Fall je Handlungsbedarf. Der Verwaltungsrat will sich dazu nicht äussern. Die Regierung sagt, sie habe nicht genügend Gründe für einen Ausstand Mayers gesehen – und anschliessend sei keine Intervention mehr angezeigt gewesen.

Mit anderen Worten: Im PK-Markt haben die kantonalen Aufsichten das Sagen – und niemand will oder kann eingreifen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Ein PK-Insider formuliert es so: «Wer die einmal im Haus hat, wird sie nicht mehr los.» Ein Problem für die Versicherten: «Aufsichtsverfahren dauern lange und sind mühsam», sagt Urs Eicher vom PK-Netz, das die Interessen der Arbeitnehmer im PK-Markt vertritt. «Bezahlen müssen die Versicherten.» Können sie sich gegen die Aufsicht wehren? «Sie können fast nichts tun», sagt Eicher. «Es gibt zwar den zivilrechtlichen Weg. Aber solche Prozesse können teuer werden. Und der Ausgang ist offen.»

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