Asien-Experte Urs Schoettli über die Gäste aus China
«Sie wollen bei uns shoppen!»

Der Buchautor und Asien-Experte spricht im Interview über jene Chinesen die bei uns Urlaub machen oder wollen.
Publiziert: 05.08.2013 um 21:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:33 Uhr
Interview: Franca Siegfried

Angeblich träumen 80 Prozent der jungen Chinesen von Ferien in der Schweiz. Warum?
Urs Schoettli:
Früher träumten sie von Reisen nach Thailand: Nicht weit, die Leute sehen ähnlich aus, das Essen schmeckt nicht fremd. Aber sobald Menschen genug Geld haben, möchten sie Neues entdecken.

Was fasziniert sie an der Schweiz?
Sie wollen shoppen: Uhren, Taschenmesser, Schokolade. Kommen sie mit einer Rolex nach Hause, sind alle beeindruckt.

Gilt das für alle?
Vor allem für Wirtschaftswunderkinder. Ihnen fehlt die Erfahrung von Instabilität ihrer Eltern und Grosseltern, die für schlechtere Zeiten sparen und kaum reisen.

Ist die Schweiz nicht zu teuer?
Anfangs reisten nur Dollarmillionäre zu uns, heute ist es die Mittelschicht, viele Doppelverdiener: die Frau Sekretärin, der Mann IT-Spezialist, zusammen 4000 Franken Kaufkraft.

Warum reisen sie in Gruppen?
Bequemer, günstiger. Paaren allein ist es oft langweilig. Sie fühlen sich in Gruppen sicherer.

Müssen wir nun Chinesisch lernen?
Nein. Aber etwas Nachsicht.

Inwiefern?
Chinesen sind immer laut. Eine junge Chinesin erklärte mir: Wir sind 1,4 Milliarden – da muss der Einzelne laut sein.

Und dann studieren sie unsere geschichtsträchtigen Orte?
Nein. Sie leben im Hier und Jetzt. Ihnen genügt ein Spaziergang über die Luzerner Reussbrücke. Sie schauen sich lieber die Auslage beim Metzger an und vergleichen in Uhrengeschäften die Preise.

Nur Wurst und Uhren? Was ist mit der schönen Natur?
Chinesen leiden oft an Natur­katastrophen. Ihr Ziel ist es, die Natur zu zähmen. Dass wir Wildheit bewundern, ist für sie fremd – aber auch faszinierend.

Warum gehen Chinesen kaum in unsere Restaurants?
Weil sie das Essen schlecht finden. Ein Teller Schnitzel mit Pommes widert sie an. Ein Chinese will aus vielen kleinen Gerichten auswählen.

Es gibt bei uns ja auch chinesische Restaurants.
Die finden sie schrecklich. Es ist jedoch wichtig, dass Hotels chinesische Gerichte fürs Frühstück anbieten. Etwa Reissuppe.

Interessiert die Chinesen unser politisches System?
Nein. Sie nehmen das System nur durch Uniformen wahr, die sie als Obrigkeit empfinden. Darauf reagieren sie wie manche Schweizer: aggressiv. In China gibt es öfters Übergriffe auf Polizisten im Stau oder auf Flughäfen bei Verspätungen.

Was? Im disziplinierten China?
Fällt die Kontrolle weg, nimmt man sich dort alles heraus. Wir dagegen wirken auf sie zu diszipliniert, fast depressiv.

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