Es ist frustrierend», sagt der Landwirt Urs Baur (46). Mit seinem Berufskollegen Robert Siegrist (55) blickt er verdrossen auf seine Aprikosenplantage in Egliswil AG. Unter zwei Folientunneln stehen hier seit 2018 Hunderte Aprikosenbäume in Reih und Glied. Siegrist hat eine ähnliche Anlage im Nachbardorf Seengen.
Doch nun droht den Plantagen das Aus – wegen eines Behördenfehlers:
Weil die Gemeinden das Baugesuch damals nicht vorschriftsgemäss im Amtsblatt publiziert hatten, war die Bewilligung nicht rechtskräftig. Aufgrund des Formfehlers konnten Umweltverbände, darunter Pro Natura und Birdlife, im Nachhinein Beschwerde gegen das Aprikosen-Projekt einreichen – obwohl dieses längst umgesetzt war. Begründung: Die Tunnel stünden in einer Schutzzone und störten das Landschaftsbild. Der Aargauer Regierungsrat gab der Beschwerde statt. Ein Schock für die Bauern: Sie müssen die Anlagen abbauen.
Dabei hatte Regierungsrat und Landwirtschaftsdirektor Markus Dieth (CVP) bei Eröffnung der Tunnel vor den Medien noch den Innovationsgeist der Bauern gelobt. Denn die Vorteile dieser Methode sind gross: Die heiklen Aprikosenbäume bleiben trocken, der Ausfall ist viel kleiner als im Freiland. Und: Weil die Pflanzen im Tunnel geschützt sind, kann auf Pflanzenschutzmittel fast vollständig verzichtet werden. Überzeugt von der Anbaumethode, hatten die Bauern je 50'000 Franken investiert.
Naturschützer suchten nie das Gespräch
Umso frustrierender für sie, dass sie nun alles wieder abreissen müssen. Besonders ärgern sich Baur und Siegrist, dass die Naturschützer nie das Gespräch mit ihnen gesucht hätten: «Wir fühlen uns übergangen», sagen sie und verstehen die Welt nicht mehr. «Die Umweltverbände wollen keine Tunnel, aber auch keine Pflanzenschutzmittel. Das passt nicht zusammen!»
Statt auf regionale Produktion zu setzen, karre man die Aprikosen offenbar lieber aus Ländern heran, in denen das Wasser knapp ist, und mache auf heile Welt. «Hauptsache, hier ist es schön!»
Doch was sagen die Verbände zu diesen Vorwürfen?
Man habe die Pflicht, Natur und Landschaft gegen Überbauung zu schützen, schreiben sie. Und schieben den Fehler auf die Behörden: «Vor vollendete Tatsachen gestellt, blieb uns nur der juristische Weg.» Pro Natura klagt, nun werde sie zur Übermittlerin der schlechten Nachricht, dass die Behörden fehlerhaft gearbeitet haben. Geht es nach Pro Natura und Birdlife, müssen Baur und Siegrist Ende Februar mit dem Abbau ihrer Tunnel beginnen. Die aber wollen nicht kampflos aufgeben: Die beiden Landwirte werden beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Beschluss erheben. Schliesslich sei ihr Projekt in der Bevölkerung auf breite Unterstützung gestossen.
Immer wieder Einsprachen
Das Aprikosendebakel im Aargau steht beispielhaft für ein bekanntes Dilemma. Es ist nicht das erste Mal, dass Umweltverbände Projekte ausbremsen, die in der Öffentlichkeit freudig begrüsst werden, weil sie positive Veränderungen für Natur und Klima versprechen.
Gerade in der Landwirtschaft spüre man momentan wenig Unterstützung vonseiten der Naturschutzorganisationen, so Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbands: «Uns werden zuweilen Steine in den Weg gelegt.»
Auch in Sachen erneuerbare Energie kommt es immer wieder zu Konflikten. So gibt es etwa bei Windrädern immer wieder Einsprachen der Umweltverbände. Und gegen den Bau eines Wasserkraftwerks im Lötschental, das ein ganzes Dorf mit Strom versorgen soll, zogen sie bis vors Bundesgericht.
Als Edy, das hölzerne Maskottchen der Ski-WM in St. Moritz GR, ein zweites Leben bekommen und in einem Skigebiet aufgestellt werden sollte, legte Pro Natura Rekurs ein – «Edy» beeinträchtige die alpine Landschaft.
Immer wieder bremsen Umweltverbände Projekte aus, die auf den ersten Blick Vorteile für Natur und Klima versprechen – oder der Umwelt zumindest nicht schaden: So verhinderten sie, dass «Edy», das hölzerne Maskottchen der Ski-WM, in einem anderen Wintersportgebiet ein zweites Leben bekam, oder sie legen regelmässig Einsprachen gegen Windräder ein.
Immer wieder bremsen Umweltverbände Projekte aus, die auf den ersten Blick Vorteile für Natur und Klima versprechen – oder der Umwelt zumindest nicht schaden: So verhinderten sie, dass «Edy», das hölzerne Maskottchen der Ski-WM, in einem anderen Wintersportgebiet ein zweites Leben bekam, oder sie legen regelmässig Einsprachen gegen Windräder ein.
«Es kann zu Interessenkonflikten kommen»
Aktuell kämpfen Pro Natura und WWF Graubünden zudem für die Schliessung eines kleinen, bei der Bevölkerung beliebten Naherholungsgebiets in San Vittore, das seit mehr als 80 Jahren existiert.
Zurück bleibt oft Ratlosigkeit: Wieso kämpfen die Verbände ausgerechnet gegen Kleinstprojekte? Und: Gewichten sie ein schönes Landschaftsbild höher als pestizidarmen Anbau oder Klimaschutz? Gibt es für sie nicht Wichtigeres zu tun, als Holzfiguren in Skigebieten zu verhindern?
«Es kann zu Interessenkonflikten kommen», räumen die Umweltverbände in ihren Stellungnahmen ein. Dabei sei das sorgfältige Abwägen im Einzelfall gefragt. Wie bei «Edy»: «Die Skulptur war nicht zonenkonform und erfüllte die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung nicht», so Pro Natura.
Angesichts solcher Spitzfindigkeiten der Umweltverbände mag sich manch einer fragen, ob der gefährdeten Natur damit wirklich geholfen ist.