Sie haben ein Buch über Wirtschaftsbetrüger geschrieben. Wurden Sie auch schon übers Ohr gehauen?
Valentin Landmann: Ja. Und zwar von einem Grossbetrüger, der selbst von Banken und Versicherungen empfohlen wurde: Dieter Behring. Auf den bin ich reingefallen.
Der Basler Financier Dieter Behring steht im Verdacht, Anleger um mehrere Hundert Millionen Franken betrogen zu haben. Um wie viel hat er Sie erleichtert?
Das war nicht eine riesige Summe. Und es ist zehn Jahre her.
Behring versprach zweistellige Renditen. Wurden Sie nie misstrauisch?
Nein. Im Nachhinein ist mir aber klar, dass ich bei Zinsen, die einiges über dem Marktwert lagen, hätte misstrauisch werden sollen.
Wollen Sie mit Ihrem Buch anderen Ihr Schicksal ersparen?
Ich begegne täglich Fällen von Wirtschaftskriminalität. Wirtschaftsbetrüger ruinieren massenhaft Existenzen. Das kann man nur vermeiden, indem man sich in sie hineindenkt. Das ist der Sinn meines Buches.
Was braucht es für einen guten Wirtschaftsbetrug?
Eine Story, die plausibel klingt und haargenau zugeschnitten ist auf das Gegenüber, ohne dass es dieses merkt. Und vor allem müssen Sie als Betrüger das Vertrauen Ihres Opfers gewinnen.
Wie baue ich dieses Vertrauen auf?
Das fängt mit dem richtigen Auftreten an. Der Briefkopf Ihrer Geschäftskorrespondenz lässt auf repräsentative Räumlichkeiten schliessen, irgendwo am Rennweg oder am Paradeplatz. Sind Sie auf der Durchreise, macht sich eine gute Hoteladresse wie das Dolder gut.
Was gehört sonst noch dazu?
Die richtige Kleidung und Accessoires. Tragen Sie zum Beispiel keine goldene Uhr, die der Kunde mit dem Milieu verbinden könnte, sondern eine zurückhaltende Uhr. So können Sie den Kenner spielen.
Könnten Sie auch als Wirtschaftsbetrüger durchgehen?
Nein. Schon die Jeans und der silberne Totenkopfanhänger passen nicht. Die Jacke ist gute Qualität – die würde gehen, die Schuhe auch. Aber meine weissen Socken sind ein No-Go. Auch meine Krawatte ist Geschmackssache. Das alles entspricht nicht dem Auftreten des grossen Geschäftsmannes.
Wo mache ich Jagd nach Opfern?
Gute Gelegenheiten für Betrüger bieten Kongresse oder auch Lobbys von grossen Hotels. Kurz: Dort, wo man unaufällig an Leute mit Geld herankommt. Das kann auch ein Golfanlass sein. Ergiebig sind auch VIP-Anlässe von Fussballspielen.
Und dann?
Das Opfer muss Sie kennenlernen wollen. Mit gezieltem Namedropping können Sie sein Interesse wecken. Dann zieren Sie sich, über ihre Geschäfte Auskunft zu geben und schüren so das Interesse des Opfers weiter. Dann sagen Sie: Ja, für eine bestimmte lukrative Sache könne man sich vorstellen, Sie mitzuberücksichtigen.
Wie erkenne ich, dass ich jemandem auf den Leim gehe?
Wenn das Angebot zu gut ist und zu sehr zu dem passt, was ich mir geschäftlich erträume.
Jeder weiss doch, dass viel Gewinn auch viel Risiko bedeutet. Warum fallen wir trotzdem rein?
Die eigene Gier und die Eitelkeit sind die besten Hebel für einen Betrüger. Sie schalten das Hirn aus.
Wer sind die besten Opfer?
Akademiker; die Schlauen sind oft die Dummen. Sie sprechen sehr leicht auf Eitelkeit an. Wenn Sie denen sagen, ein Geschäft verstehe nur jemand, der den Durchblick hat, dann haben Sie schon gepunktet.
Was schätzen Sie, wie viele Schweizer sind schon auf jemanden reingefallen?
Ich glaube, ein hoher Prozentsatz von uns wurde schon einmal Opfer. Betrug hat immer Konjunktur. Jede Möglichkeit, Geld zu verdienen, zieht Sumpfpflanzen an.
Trotzdem hört man von vergleichsweise wenig Fällen.
Viele Wirtschaftsbetrüger werden gar nie angezeigt. Die Opfer schämen sich, dass sie reingefallen sind. Auch Betrüger innerhalb von Firmen bleiben oft unbestraft. Sie wissen von den Skeletten im Kasten der Firma. Die Vorgesetzten haben Angst, dass diese ans Tageslicht gelangen.
Was treibt Betrüger an?
Das Gleiche wie jeden anderen Menschen auch: Geld, Luxus, Ferien, Autos, Macht, Anerkennung. Die Motive sind meist banal.