Grosses Unverständnis bei Schweizer Ärztinnen und Ärzten für die Massenschnelltest-Pläne von Gesundheitsminister Alain Berset (48). In einem Brief an den Bundesrat, der BLICK vorliegt, fordert die Konferenz der Kantonalen Ärztegesellschaften, die Pläne zu stoppen.
Denn es sei inakzeptabel, eine Milliarde Schweizer Franken öffentlicher Gelder für nach dem Giesskannenprinzip verteilte Covid-Selbstteste aus dem Fenster zu werfen, ohne dass damit wirtschaftliche und soziale Lockerungen verbunden seien, so die Ärzte.
Wenn alle Einwohner gratis fünf Schnelltests erhielten und ohne Anlass und definiertes Setting testen würde, trage das zur Verfälschung der Daten bei, die gebraucht würden, um die Pandemie verfolgen zu können.
«Nicht sehr kosteneffizient»
«Wir verbringen bereits heute in unseren Sprechstunden sehr viel Zeit damit, Patientinnen und Patienten darüber aufzuklären, weshalb gewisse Untersuchungen, Teste und Abklärungen in einem gewissen Setting nicht sinnvoll sind und nicht gemacht werden sollen», kritisieren die Konferenz der Kantonalen Ärztegesellschaften weiter
Die Co-Präsidentin der Konferenz, Monique Lehky Hagen (49), findet Massentests über die ganze Schweiz verteilt so sinnlos, wie wenn man in der ganzen Bevölkerung Schwangerschaftstests durchführen würde, wie sie dem «Walliser Bote» sagt. Weiter: «Testen, testen, testen um jeden Preis und ohne verständliches und sinnvolles Gesamtkonzept ist leider, wie wir in den letzten Monaten sehen konnten, nicht sehr kosteneffizient.»
Je unspezifischer und breiter man teste, umso schwieriger werde es, sinnvoll brauchbare Aussagen und Daten zu generieren. Die Folge sei ein riesiger Datenberg, der schwer interpretier-, vergleich- und nutzbar sei und zu vielen Missverständnissen führe.
Gezielter Einsatz von Tests
Dabei haben die Ärzte offenbar nichts gegen Schnelltests. Ein Mehrwert könnten die einfach zu handhabenden und zuverlässigen Schnelltests in spezifischen Situationen durchaus bringen, steht im Brief weiter. So wäre es sinnvoll, Gratis-Schnelltests vor Restaurants, Kultur- und Sportanlässen zur Verfügung zu stellen.
Und: «Dies würde gleichzeitig ermöglichen, dass diese Gewerbe sofort für negativ getestete Personen zugänglich gemacht werden könnten, ohne dass die Gefahr einer relevanten Virenpropagation während des zeitlich begrenzten Aufenthalts von wenigen Stunden bestehen würde.»
Die Ärztinnen und Ärzten haben auch kein Verständnis für die Milliarden teuren Flächentests, weil im ambulanten Gesundheitssektor dort, wo zur Kriseneindämmung und Reduktion des Hospitalisationsrisikos der Covid-Patienten proaktiv gehandelt und investiert werden sollte, extrem gespart werde.
Hinter der neuen Teststrategie sehen die Ärzte einen gewissen politischen Aktivismus. Hauptsache man «tue» etwas gegen die sich in die Länge ziehende Pandemie. Leider würden solche Entscheidungen immer weniger nachvollziehbar und führten zu zunehmenden Polarisierungen und Widerständen in der Bevölkerung. (gnc)