Sogar der eigene Mitarbeiter warnt vor dieser Firma
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Schlüsseldienst-Abzocke:Sogar der eigene Mitarbeiter warnt vor dieser Firma

Abzocker-Schlüsseldienste
Wer sonntags seinen Schlüssel verliert, geht besser ins Hotel

1680 Franken musste Claudia Baumgartner für einen unseriösen Not-Schlüsseldienst bezahlen. Dabei hätte sie das leicht verhindern können.
Publiziert: 12.09.2025 um 10:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2025 um 10:58 Uhr
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Wer einen unseriösen Schlüsseldienst bestellt, verliert schnell viel Geld.
Foto: Freepik – Illustration: Sarina Joos

Darum gehts

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Nicole Müller
Beobachter

Es ist ein warmer Sonntagabend im Juli, Claudia Baumgartner und ihr Mann sind nach einer langen Wanderung müde und hungrig. Sie will ihre Mietwohnung in einer Aargauer Kleinstadt aufschliessen, doch der Hosensack ist leer – der lose Wohnungsschlüssel muss irgendwo unterwegs rausgefallen sein. 

Das Impressum ist unlesbar

Baumgartner sucht auf dem Handy nach einem Schlüsseldienst, Google präsentiert eine ganze Liste. Sie wählt eine Firma, die verspricht, das Schloss zu öffnen, ohne es kaputtzumachen. Obwohl sie das Impressum des Anbieters nicht lesen kann, weil sich in der Handy-Ansicht ständig die Telefonnummer darüber schiebt.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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«Das war der erste Fehler», sagt Baumgartner. Erst später wird sie merken, dass nicht die auf der Homepage genannte Firma, sondern «Express Handwerk» dahintersteckt. Über das Unternehmen gibt es viele negative Berichte im Internet.

Als Claudia Baumgartner anruft, macht sie gleich den nächsten Fehler: «Ich fragte nicht nach dem Preis.» Ihr ist die Geschichte sehr unangenehm – darum haben wir ihren Namen geändert. 

Doppelt so teuer

Nach den Kosten fragt sie erst, als der etwa 25-jährige Mann eine Stunde später vorfährt – mit einem neuen Auto, Zuger Nummernschild. Er zeigt ihr einen Zettel mit dem Logo von Express Handwerk.

Zusätzlich steht da: 489 Franken pauschal. Plus 100 Prozent. «Weil Sonntag ist», sagt er. «Also knapp 1000 Franken?», fragt Baumgartner. Der Mann bestätigt, sie unterschreibt. 

«Er wirkte so sympathisch und schaute mir immer direkt in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.» Damit habe er ihr signalisiert, dass er nur seinen Job mache, und zwar seriös. Heute fragt sie sich: «Wie konnte er nur so dreist sein?»

Es wird noch teurer

Und es kommt noch schlimmer: Der Handwerker verkündet, er könne das Schloss doch nicht ohne Schaden öffnen. Er müsse es zerstören und ein neues einbauen – zum Glück habe er Material dabei. Baumgartner zögert. Sie weiss, dass die Verwaltung das Schloss ohnehin nochmals wechseln wird.

«Da machte der junge Mann richtig Druck», erzählt sie. Es dauere mindestens zwei Wochen, bis die Verwaltung das machen könne – ob sie so lange ohne Schloss sein wolle? Baumgartner willigt schliesslich ein. Wieder kommt ein Zettel – aber jetzt stehen da 1680 Franken. 

«Wie kommen wir von 1000 plötzlich auf 1680 Franken?», fragt Baumgartner verwirrt. Der Handwerker hat wieder eine Erklärung bereit: Weil das neue Schloss 400 Franken koste, dazu kämen Wegkosten und ein Zuschlag für die «Mehrarbeit» am Sonntag – zusätzlich zu den 100 Prozent Aufschlag auf der Grundpauschale.

«Ich wollte einfach nur, dass er endlich abhaut und meine Wohnung verlässt», sagt Claudia Baumgartner. Sie bezahlt per Twint die völlig überrissene Rechnung. «Mein Mann hat dem Handwerker sogar noch einen Kaffee angeboten. Im Nachhinein konnten wir es kaum fassen: Wie liessen wir es nur so weit kommen?»

Am nächsten Tag ruft Baumgartner die Verwaltung an, die sehr wohl ein Übergangsschloss bereitgestellt hätte. Kostenpunkt: 50 Franken.

Juristisch auf ziemlich verlorenem Posten

Was gilt rechtlich, kann Baumgartner Geld zurückfordern? Ihre Chancen stehen schlecht. Denn Handwerker sind nicht verpflichtet, im Voraus einen Preis zu nennen. Wenn nichts abgemacht ist, können sie ihren üblichen Ansatz verrechnen. Zusätzlich ist Express Handwerk schlau vorgegangen und liess Baumgartner immer wieder unterschreiben.

Später zu sagen, sie sei nicht einverstanden gewesen, bringt nur in Extremfällen etwas. Etwa wenn Baumgartner beweisen könnte, dass die Firma eine Notlage ausgenutzt hat – im Gesetz heisst das «Übervorteilung». Dann wäre der Vertrag ungültig. Helfen würde etwa, wenn in der Wohnung ein Kind eingesperrt oder der Herd angestellt wäre. 

Aber: Weil Baumgartner bezahlt hat, ist das Geld erst mal weg. Um es zurückzubekommen, müsste sie vor Gericht gehen. Das braucht Zeit und wiederum Geld. Und ob die Richterin wirklich von einer Notlage ausgehen würde? – Unklar. Express Handwerk hat zu den Vorwürfen keine Stellung genommen. 

Fazit: Wer eine unseriöse Firma bestellt hat, ist ihr praktisch ausgeliefert.

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