Aber jetzt will der Bund die Forschungsanstalt an Private verkaufen
Hier versteckt sich unser Käse-Geheimnis

Ob Appenzeller oder Tilsiter, Geschmack und Aussehen erhalten die Käsesorten dank Bakterienkulturen. Die lagert und produziert seit über hundert Jahren der Bund. Nun sollen Private übernehmen.
Publiziert: 22.07.2017 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:54 Uhr
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Christoph Kohn von Agroscope zeigt ein Fläschchen mit Bakterienkulturen in flüssiger Form.
Foto: Thomas Meier
Bastian Heiniger

Er gibt nie auf. Immer wieder versucht Schauspieler Uwe Ochsenknecht (61), an das Geheimrezept des Appenzellers zu kommen. Doch die Sennen im Werbespot halten dicht. 

Dabei könnten sie ihm das Geheimnis ruhig verraten. Es würde ihm nichts nutzen. Denn die neben der Milch wichtigste Zutat für die bekannten Schweizer Käsesorten wird gut gehütet – vom Bund. Die Forschungsanstalt Agroscope ist dem Bundesamt für Landwirtschaft angegliedert und produziert seit über 100 Jahren Bakterienkulturen, mit denen sie die Käsereien beliefert.

Damit ist bald Schluss: Die Produktion der Bakterien soll privatisiert werden. Gerät die Schweizer Käse-DNA gar in ausländische Hände?

Bakterienkulturen beeinflussen Geschmack

BLICK besucht in Liebefeld BE die Schatzkammer des Schweizer Käses. Was das Käsegeheimnis ausmacht, erklärt Christoph Kohn (36), Leiter Gruppe Kulturen bei Agroscope: «Die regional verschiedenen Bakterienkulturen sind ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Käsesorten. Sie beeinflussen Geschmack, Aussehen und Löcher.» Jeder der Bakterienstämme hat andere Fähigkeiten. Indem sie beispielsweise Eiweiss abbauen, wird der Käse hart und erhält sein Aroma. 

Egal, ob Appenzeller, Greyerzer oder Sbrinz – für jede Käsesorte ist ein spezifischer Cocktail von Bakterienstämmen nötig.

Das unterscheidet Schweizer Käse von der internationalen Konkurrenz. «Der weltweite Markt mit Bakterienkulturen wird von wenigen Herstellern beherrscht», sagt Kohn. «In Europa, Asien und Amerika wird überall mit denselben Kulturen gearbeitet.» Ihnen fehlen die spezifischen regionalen Unterscheidungsmerkmale.

Zu wenig Umsatz

Die Abteilung Kulturen von Agroscope, die Käseproduzenten mit Bakterienmischungen versorgt, setzt mit zehn Mitarbeitern jährlich 2,6 Millionen Franken um. Zu wenig, um in die Zukunft investieren zu können, sagt Agroscope-Chef Michael Gysi (50) zu BLICK. «Wir bräuchten in den nächsten Jahren Investitionen von zehn Millionen Franken.» Zudem passe die zentrale Administration des Bundes nicht mehr zu einem KMU, das sich am Markt entwickeln müsse. 

Deshalb soll die Bakterien-Produktion privatisiert werden. Momentan sammelt Agroscope die Angebote. Von wem die kommen, verrät Gysi nicht. BLICK weiss: Der Käseverband Fromarte hat ein Angebot eingereicht. Kurt Schnebli von Fromarte sagt: «Für die Käser ist es von existenzieller Bedeutung, dass die Kulturenreproduktion gesichert ist.»

Verkauf ins Ausland verboten

Fromarte schlägt vor, eine vom Bund und der Branche getragene Stiftung zu lancieren. Dieser gehörten die Rechte der gelagerten Agroscope-Kulturen, und sie stellte den Schweizer Herstellern einen freien Zugang sicher. Die Produktion der Kulturen soll eine Aktiengesellschaft übernehmen.

Agroscope-Chef Gysi bestätigt, dass ein solches Angebot auf dem Tisch liegt. Er findet es positiv, dass sich die Branche einigen konnte. Und doch: Ist mit der Privatisierung unser Käsegeheimnis bedroht? Gysi winkt ab: «Die Kulturen dürfen nicht an ausländische Produzenten verkauft werden.»

Uwe Ochsenknecht wird sich also auch künftig die Zähne ausbeissen – nicht nur an den Appenzellern.

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