50-mal höhere Strafe als vor einem Jahr
Aargauer Bauer ist Opfer von Bürokratie-Wahnsinn

Weil der Bund an einem Paragrafen schraubt, summiert sich eine Direktzahlungskürzung auf 150'000 Franken. Wäre sie ein Jahr vorher angefallen, kostete sie 50-mal weniger. Jetzt lehnt sich auch der Kanton Aargau gegen das Diktat aus Bern auf.
Publiziert: 25.04.2017 um 09:28 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:17 Uhr
Werden dem Betrieb die Direktzahlungen gekürzt, bedeutet das für den betroffenen Bauern den Ruin.
Foto: STEFAN BOHRER
Konrad Staehelin

Sie können nicht ohne, aber geliebt ist es auch nicht. Das Direktzahlungs-Regime aus Bern ist für die Bauern Fluch und Segen gleichzeitig, schrieb BLICK im Dezember. 

Jetzt kommen Details zum wohl extremsten Fall ans Licht, den die Schweiz je gesehen hat: Ein Malheur, das 2015 eine Kürzung der Direktzahlungen um 3000 Franken nach sich gezogen hätte, kostet jetzt 150'000 Franken. Das ist eine Verfünfzigfachung! Der Grund ist eine kleine Paragrafen-Änderung beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW).

Dem Kanton sind die Hände gebunden

Das Opfer ist O.D.*, ein Aargauer Jungbauer. Er bittet BLICK, seine Identität nicht publik zu machen. Im Februar 2016 notierten zwei Kontrolleure des Kantons bei einer Überraschungskontrolle, dass D. seinen 30 Kühen den vorgeschriebenen Auslauf nicht gewährt habe. 

Darum musste das Landwirtschaftsamt Aargau die Regeln des BLW anwenden und die Riesenstrafe von 150'000 Franken aussprechen. Das sind D.s komplette Direktzahlungen für ein Jahr. Amtsleiter Daniel Müller (53) sagt: «D. ist kein Tierquäler. Die hohe Strafe ist völlig unverhältnismässig.» Zwar habe das Amt dank der Geltendmachung «spezieller Umstände» die Strafe um einen Viertel auf 110'000 Franken mildern können. Trotzdem sagt Müller: «Für den Betrieb wäre dies der Ruin.»

Daniel Müller vom kantonalen Landwirtschaftsamt Aargau lehnt sich gegen die BLW-Verordnung auf.
Foto: HO

Darum gab er D. am Telefon einen speziellen Rat: Gegen die Strafe, die Müller selber ausgesprochen hatte, vor Gericht zu ziehen. 

BLICK sitzt bei der Verhandlung am Aargauer Verwaltungsgericht mit Müller und D. in einem Raum – sonst ist kein Zuschauer dabei. D. ficht nicht nur die Höhe der Strafe an, sondern auch den Befund der Kontrolleure, er habe seinen Kühen keinen Auslauf gewährt.

«Ich opfere mein Leben»

D. wird emotional: «Wenn mir so viel Geld gestrichen wird, habe ich Existenzprobleme.» Er trägt es mit Groll vor. Wie einer, dem Unrecht widerfahren ist. «Das Problem ist der Bund. Beim Bundesamt entscheiden ein paar Studierte über die Lebensrealität von uns Bauern. Ich dagegen opfere mein Leben, um die Natur zu pflegen und für dieses Land zu produzieren.»

Müller sagt es technischer: «Früher waren die Strafen für Vergehen dieser Art zu tief, worin sich alle einig waren. Eine Anpassung war nötig, aber das Bundesamt ist über das Ziel hinausgeschossen. Wir sind mit dem neuen Sanktionsreglement in diesem Punkt überhaupt nicht einverstanden.»

Das BLW kontert: «Die betroffene Kürzungsbestimmung im Aargauer Fall war 2015 in der Vernehmlassung und wurde breit diskutiert. Alle Akteure konnten sich dazu äussern und Stellung beziehen. Die Kürzungen legte schliesslich der Bundesrat fest.» 

Wird jetzt etwas am Paragrafen geändert, der D. in den Ruin treiben könnte? «Verordnungsänderungen werden grundsätzlich stets auf den 1. Januar festgelegt. Ob etwas in der Verordnung angepasst wird, entscheidet der Bundesrat im Herbst 2017.»

D. würde das nichts mehr bringen. Er muss auf das Verwaltungsgericht in Aarau hoffen. Der Entscheid steht noch aus.

* Name der Redaktion bekannt. 

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