36 Billionen Dollar im Minus!
Riskieren die USA jetzt den Schulden-Supergau?

Bei Staatsbankrotten denkt man als Erstes an Griechenland oder Argentinien. Jetzt rückt aber Trumps Schuldenmacherei immer stärker in den Fokus: Die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Supermacht wachsen. Was steckt dahinter?
Publiziert: 23.06.2025 um 21:23 Uhr
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Das Kapitol in Washington: Demokratische und republikanische Parlamentsabgeordnete blockieren sich immer wieder bei der Festlegung einer Schuldenobergrenze.
Foto: AFP

Darum gehts

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Peter Rohner
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Peter Rohner und Markus Diem Meier
Handelszeitung

Es kommt nicht oft vor, dass der Finanzminister der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt versichern muss, dass er die Schulden bedienen könne. Scott Bessent (62) aber sah sich jüngst dazu genötigt, als er in einem Interview mit dem Sender CBS auf die Schuldenobergrenze angesprochen wurde. «Die USA werden niemals bankrottgehen, das wird es nie geben», sagte Trumps Schatzmeister mit Nachdruck.

Das Erreichen der gesetzlichen Schuldenobergrenze sorgt in den USA immer wieder für Nervosität, und es mussten schon Regierungsaufgaben eingestellt werden, bis die Parteien doch noch eine Einigung erzielten. An der grundsätzlichen Zahlungsfähigkeit Washingtons und an der Sicherheit von US-Staatsanleihen zweifelte allerdings niemand.

36 Billionen Dollar Schulden

Doch diese Gewissheit gerät nun ins Wanken. Und Bessents drastische Worte waren ein Versuch, die Zweifel zu zerstreuen. Denn es häufen sich Stimmen, die auf die Gefahr der Schuldensituation hinweisen. So warnte etwa Jamie Dimon (69), Chef von J. P. Morgan, vor einem bösen Ende, sollten die USA nichts gegen die ausufernde Verschuldung unternehmen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Die Staatsverschuldung nimmt weltweit zu, aber nirgends so dramatisch wie in den USA. Seit Jahren übersteigen die Ausgaben die Einnahmen bei weitem, wodurch der Schuldenberg auf über 36 Billionen Dollar gestiegen ist. Längst überragen die Verbindlichkeiten die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung. Das Verhältnis von Bruttostaatsschuld zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist auf dem höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg und beläuft sich nach Definition des Internationalen Währungsfonds auf 120 Prozent.

«One Big Beautiful Bill» würde US-Defizit verdoppeln

Schon unter der ersten Trump-Regierung und unter Joe Biden (82) war der Haushaltssaldo tiefrot – teilweise bedingt durch die Corona-Hilfen. 2024 betrug das Defizit 6,5 Prozent. Doch unter Trump 2.0 wird es nicht besser: Sein neues Haushaltsgesetz «One Big Beautiful Bill», das unter anderem die Verlängerung der 2017 eingeführten Steuererleichterungen vorsieht, würde gemäss den Prognosen des Budgetbüros des Kongresses das Defizit mehr als verdoppeln. Schätzungen gehen davon aus, dass die USA schon bald einen höheren Anteil des BIP für den Schuldendienst ausgeben müssen als das traditionell hoch verschuldete Italien.

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Dass die Rating-Agentur Moody’s als dritter der führenden Bonitätsprüfer vor wenigen Wochen der Weltmacht USA auch noch die höchste Kreditnote entzogen hat, zeugt von dieser Entwicklung.

Dennoch bekommt die tickende Schuldenbombe immer noch verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit. Es dominieren die Sorgen im Zusammenhang mit dem Handelskrieg bis hin zur Möglichkeit eines neuen Kriegs. Dazu gesellen sich Ängste vor einem Wirtschaftseinbruch und vor den Folgen des klimatischen und des technologischen Wandels. In Wahrheit sind aber alle diese Risiken und weitere Herausforderungen eng mit der Schuldenproblematik verknüpft, und je höher die Verschuldung ist und je stärker sie steigt, desto weniger Möglichkeiten gibt es, diese Risiken und Herausforderungen zu bewältigen.

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Auch Staaten können pleitegehen

Oft wird das Risiko der Verschuldung von Staaten fälschlicherweise wie bei Privaten mit der Wahrscheinlichkeit eines Bankrotts verglichen. Doch Staaten haben die Hoheit, Steuern einzutreiben – private Akteure sind hingegen vom wirtschaftlichen Erfolg abhängig. Ein Unternehmen muss seine Türen schliessen, wenn es seine Schulden nicht mehr bezahlen kann – das ist bei einem Staat ausgeschlossen. Gerät er in Zahlungsschwierigkeiten oder kommt er in Verzug, spricht man zwar von einem Staatsbankrott, der Staat bleibt dennoch bestehen.

Die Folge ist aber ein explodierendes Zinsniveau, denn potenzielle Gläubiger werden im besten Fall sehr hohe Risikoaufschläge für weitere Kredite verlangen. Im schlechtesten Fall wird das Land komplett von den Kapitalmärkten ausgeschlossen. Der Staat muss dann seine Ausgaben massiv einschränken und kann viele seiner Aufgaben nicht mehr erfüllen. Eine einbrechende Wirtschaft und soziale Unruhen sind die Konsequenzen.

Zu Staatsbankrotten ist es in der Geschichte vor allem während Kriegen oder in wirtschaftlich schwächeren Ländern gekommen, die über keine starke eigene Währung verfügen. Prominente Beispiele dafür sind der Zahlungsausfall Russlands Ende der Neunzigerjahre, Argentiniens Mehrfachpleiten oder Griechenlands Bankrott nach der Finanzkrise.

Und die USA?

Für eine Supermacht wie die USA ist ein Bankrott jedoch so gut wie ausgeschlossen – ausser, die Politik entscheidet eigenwillig, die Zinsen oder Rückzahlungen zum Beispiel ans Ausland auszusetzen. Solche Pläne wurden von der Trump-Administration und von früheren US-Regierungen auch schon gewälzt, aber noch nie umgesetzt. Und jedes Mal, wenn die gesetzliche Schuldenobergrenze naht und sich die Parteien nicht auf eine Anhebung einigen können, kommen Bedenken wie jetzt auf, dass die Anleihen nicht rechtzeitig bedient werden. Aber jedes Mal entscheidet sich die Regierung stattdessen für den partiellen Shutdown.

Der Grund für den Unterschied zu Ländern wie Griechenland oder Argentinien ist, dass die USA und die meisten Industrieländer eine eigene stabile Währung haben und sich in dieser verschulden können. Bei einem Zahlungsnotstand kann die Notenbank einspringen und mit frisch gedrucktem Geld aushelfen. Das Risiko der Überschuldung ist hier nicht der Bankrott, sondern die Geldentwertung – sprich Inflation.

Griechenland aber hat seit dem Beitritt zum Euro keine Kontrolle über die Geldpresse. Wegen einer Vielzahl von historischen Zahlungsausfällen geniesst es wenig Vertrauen auf den Kapitalmärkten. Argentinien hat zwar eine eigene Währung und eine eigene Notenbank, aber angesichts vergangener Phasen mit gigantischer Inflation und Abwertungsspiralen bekommt es ausländisches Kapital nur zu hohen Zinsen und in harter Währung.

Das «ausserordentliche Privileg» der Vereinigten Staaten

Die USA haben mit dem Dollar eine besondere Vorzugsposition inne, man spricht auch von einem «exorbitant privilege», einem ausserordentlichen Privileg. Zum einen werden internationale Handelsgeschäfte oft in Dollar abgewickelt, selbst wenn die USA nicht involviert sind. Besonders deutlich ist die Dominanz des Dollar bei den Rohstoffen. Zum anderen sind rund 60 Prozent der Reserven aller Notenbanken der Welt in Dollar-Wertpapieren angelegt; auch in den Bilanzen von Finanzinstituten spielen diese eine zentrale Rolle. US-Staatsanleihen sind überdies entscheidend für die Bewertung der meisten Kapitalmarktanlagen der Welt. Ihre Rendite gilt als Mass für den risikolosen Zins. Aus diesen Gründen war die Welt bisher nur zu gerne bereit, die Schuldenpolitik der USA mitzufinanzieren, zu relativ niedrigen Zinsen.

Das ausserordentliche Privileg der USA führt mit dazu, dass die Politik in den USA die Defizite bisher weitgehend ignorieren konnte – und selbst Rating-Rückstufungen kaum kurzfristige Folgen nach sich zogen. Die relative Gleichgültigkeit gegenüber der wachsenden Verschuldung zeigt sich in den USA unabhängig davon, ob ein Präsident der Demokraten oder der Republikaner im Weissen Haus herrscht. Längst hat die Verschuldung ein Niveau erreicht, das man früher mit den hoch verschuldeten Euroländern in Verbindung brachte.

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Das Dollar-Privileg ist Vertrauenssache

In Stein gemeisselt ist das Dollar-Privileg allerdings nicht. Zur Weltwährung wurde der US-Dollar als Folge der Entwicklung der Vereinigten Staaten zur grössten wirtschaftlichen und militärischen Macht der Welt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der spezielle Status der US-Währung an der Konferenz von Bretton Woods offiziell etabliert.

Auch nach dem Zerfall des am Dollar hängenden Bretton-Woods-Systems der festen Wechselkurse behielten der Dollar und die US-Staatsanleihen ihre dominierende Rolle. Dies dank der vergleichsweise grossen Stabilität der US-Institutionen, die Investoren Sicherheit bieten. Dazu gehören die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed, der regulierte, grösste und tiefste Kapitalmarkt der Welt und ein insgesamt verlässliches Regierungssystem, das durch die «Checks and Balances» die Macht Einzelner – bis hin zum Präsidenten – einschränkt und damit Willkür reduziert.

Wie zentral das Vertrauen der Anleger in diese Institutionen für den Dollar und die Finanzierung der Schulden sind, hat sich im April gezeigt: Die historisch einmalig hohen Zölle, die Trump am Liberation Day ohne nachvollziehbare Begründung einführte, verunsicherten die Investoren zutiefst. Der Dollar und US-Staatsanleihen, die sonst bei jedem Börsencrash Sicherheit bieten, wurden von der Verkaufswelle ebenfalls erfasst, was die Angst vor einer schweren Finanzkrise befeuerte. Die harsche Reaktion der Bondmärkte war dann auch das, was Trump zur Sistierung der Zölle bis Anfang Juli veranlasste.

Das zweite Mal zeigte der Bondmarkt Ende Mai seine Zähne, als Trump der EU mit noch höheren Zöllen drohte und Moody’s den Treasury-Bonds wegen der zunehmenden Defizite das AAA-Rating entzog. Die langfristigen Anleiherenditen, die sich spiegelbildlich zum Kurs verhalten, schossen zum ersten Mal seit Jahren über 5 Prozent. Die Prämien zur Absicherung des Kreditrisikos mittels Kreditausfall-Swap erreichten ein Niveau, das zuvor nur nach der Bonitätsherabstufung durch S&P Global im Jahr 2011 gemessen worden war.

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Das Vertrauen in die US-Institutionen schwindet

Auslöser für die Panik waren Trumps Zölle, der Budgetvorschlag und das Downgrade. Doch der wahre Grund für die Reaktion liegt tiefer: Die Investoren haben das generelle Vertrauen in die US-Politik und die Institutionen verloren. «Wir – die USA – haben gezeigt, dass wir bereit sind, jedem eine Pistole an den Kopf zu halten», beschreibt es der US-Ökonom Kenneth Rogoff im Podcast «The Ezra Klein Show». Und dieses verlorene Vertrauen ist nur schwer wieder zurückzugewinnen. Laut Rogoff wird es Jahrzehnte dauern. Auch der Zinsvorteil durch das «exorbitant privilege» sei dahin.

Immer mehr Schulden, aber immer weniger Investorinnen und Investoren, die bereit sind, diese zu finanzieren – oder dann nur zu höheren Zinsen: Für jedes Unternehmen wäre das der direkte Weg in den Bankrott. Für die USA als souveränen Staat bleibt aber der Ausweg über die Geldpresse, Anleihenkäufe der Notenbank und die finanzielle Repression. Gemeint sind damit regulatorische Eingriffe, die Gläubiger benachteiligen, indem diese zum Halten von Staatsanleihen gezwungen werden und die Inflation über dem Zins gehalten wird. Darunter werden die Amerikanerinnen und Amerikaner leiden.

Der Rest der Welt wird das Weginflationieren der Schulden vor allem über die Abwertung des Dollar spüren. Der vernünftigste Weg, um der Schuldenfalle zu entkommen, wäre, die Staatsfinanzen ins Lot zu bringen. Doch von einer vernunftbasierten Politik sind die USA weiter entfernt denn je.

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