Stéphane Lambiel
«Meine sexuelle Orientierung geht niemanden etwas an»

Am Donnerstag gab Stéphane Lambiel (23) seinen Rücktritt vom Spitzensport bekannt. Mit SonntagsBlick sprach er über seine Träume, sein unfreiwilliges Coming-out — und seine Zukunft.
Publiziert: 18.10.2008 um 22:04 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:03 Uhr
Von Christian Dorer

Der zweifache Eiskunstlauf-Weltmeister ist einer der charmantesten, humorvollsten und bestaussehendsten Sportler der Schweiz. Nun zwingt ihn eine Verletzung an den Adduktoren zum Aufhören. Der Entscheid reifte über Monate, jetzt ist Lambiel vor allem eins: erleichtert.

Die halbe Schweiz ist traurig über Ihren Rücktritt. Bereuen Sie ihn schon?
Stéphane Lambiel:
Auch ich bin traurig, dass es jetzt vorbei ist. Und auch erleichtert, denn es ist der
einzig richtige Entscheid: In einigen Jahren werde ich dankbar sein, dass ich auf meinen Körper gehört habe. Weil ich auch dann noch zwei gesunde Beine haben werde, um zu joggen oder Ski zu fahren.

Trotzdem ist es wohl sehr schwierig für Sie, aufzuhören.
Ich habe lang mit mir gerungen. Doch seit sieben Monaten konnte ich nicht mehr so trainieren, wie ich es gewohnt war – und das war zuerst einmal ein Schock. Um Weltmeister zu werden, muss man körperlich absolut auf der Höhe sein, sonst hat man keine Chance. Aber ich werde wieder aufs Eis gehen, sobald es mir besser geht – für Galas und Shows. Dort gelten andere Gesetze als in den Wettkämpfen, und da möchte ich auch in Zukunft meinem Publikum Freude bereiten.

Sie sind erst 23 Jahre alt. Tut man seinem Körper als Spitzensportler zu viel an?
Meine Karriere hat sehr früh begonnen, ich habe an acht EM, an acht WM und zwei Olympischen Spielen teilgenommen. Ich war fast zehn Jahre auf Top-Niveau – das ist viel.

Was wollen Sie jetzt machen?
Ich nehme mir ein Jahr Zeit, um meine Zukunft zu planen. Vielleicht auch länger, mal schauen. Zuerst werde ich mich erholen und pflegen. Wenn ich wieder in Form bin, beginne ich mit dem Training für Galas.

Und beruflich?
Am meisten reizt mich etwas mit Sprachen und Kommunikation, Architektur, Design, Theater oder Tanz. Ich möchte eine solide Ausbildung machen und auf keinen Fall einen Job annehmen, den ich nur erhalte, weil ich Stéphane Lambiel heisse.

Das macht Ihnen Sorgen?
Ich möchte akzeptiert werden für das, was ich kann, und nicht für meinen Namen. Eine Pseudo-Stelle würde ich auch für viel Geld nicht annehmen.

Haben Sie finanziell ausgesorgt?
Ich werde arbeiten müssen. Aber ich habe keine Angst davor, mir die Hände schmutzig zu machen und zu schwitzen. Ich weiss, dass man im Leben jeden Tag kämpfen muss. Ich freue mich darauf.

Die Zeitung «Sonntag» hat Sie als homosexuell geoutet. Hat Sie das gestört?
Nun, ich finde, jeder hat das Recht auf Privatsphäre. Und deshalb finde ich, meine sexuelle Orientierung geht niemanden etwas an.

Haben Sie einen festen Freund?
Nein.

Bleiben Sie nun in den USA oder kehren Sie in die Schweiz zurück?
Ich werde mal hier sein und mal dort. Einige enge Freunde in New York sind mir ans Herz gewachsen. Ich will nun endlich die Stadt entdecken, dazu hatte ich noch keine Zeit. Und ich würde später auch gern in den Staaten auftreten.

Sie haben mal von einer Weltreise geträumt ...
... das ist immer noch so. Jetzt kann ich endlich ohne schlechtes Gewissen verreisen – und ohne dass ich nach der Rückkehr wieder bei null anfangen muss. Ich werde mir diesen Traum nun wohl erfüllen. Wobei ich vor allem durch Südamerika trampen möchte und nach Thailand zurückkehren. Dort war ich schon zweimal und wurde jeweils extrem herzlich aufgenommen.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Leben am meisten?
Ich habe viel in meinen Sport investiert – jetzt habe ich wieder mehr Zeit für die Menschen, die mir nahe stehen.

Sie sagen, Sie lieben Sprachen.
Ja, ich beherrsche Französisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch. Nur schon deshalb mache ich mir keine Sorgen um meine Zukunft.

Was möchten Sie noch lernen?
Ich möchte mein Portugiesisch verbessern und eine Weile im Land verbringen. Meine Grossmutter lebt dort.

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Stéphane Lambiel tritt wieder auf:
Ab Ende Januar bei Art on Ice in Zürich, Lausanne und
St. Moritz sowie an der Eisgala in Davos.
Ab Ende Januar bei Art on Ice in Zürich, Lausanne und
St. Moritz sowie an der Eisgala in Davos.
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