Der 18. Februar. Strahlendes Winterwetter im Engadin. Am St. Moritzer Bob-Run herrscht Trainings-Hochbetrieb. Bis kurz vor Mittag – ein Horror-Unfall! Seither herrscht allerorts Funkstille.
Bis vor kurzem. Am 8. Juni meldet sich Tanja Mayer auf Facebook: «Es kostete mich einige Zeit, diese sehr einschneidenden Erlebnisse zu verarbeiten. Körperlich geht es mir den Umständen entsprechend gut. Für mich am meisten traumatisierend sind jedoch nicht meine, sondern die doch erheblichen Verletzungen meines Bremsers. Ich fühle mich verantwortlich und möchte mich, so gut es geht, an seiner Rehabilitation beteiligen.»
Was ist vor einem halben Jahr passiert? Ein Spitzen-Bobfahrer schildert den Verlauf des Horror-Unfalls: «Alles Unvorstellbare ist zusammengekommen. Erstens gibts in der Martineau-Kurve kaum Stürze. Zweitens hat es den Schlitten in der allerletzten Kurve wieder auf die Kufen gestellt. Drittens war die Pilotin nach dem Crash selbst benommen und konnte ihren Bob im steilen Auslauf nicht zum Stillstand bringen. Also fuhr ihr Schlitten rückwärts hinunter, knallte mit 60 bis 70 km/h voll in den beim Sturz aus dem Bob geschleuderten und noch in der Bahn liegenden Bremser.»
Die Pilotin – die 22-jährige Tanja Mayer aus Sommeri TG. Als Anschieberin wurde sie in Sotschi 2014 Olympia-Achte. Seitdem wird sie vom Verband als Olympia-Hoffnung für 2018 in Südkorea selbst als Pilotin aufgebaut. In St. Moritz absolviert sie eine Trainingsfahrt.
Ihr Anschieber ist der 28-jährige Thomas Krieg aus Ermenswil SG. Ein erfahrener Bob-Hase aus dem Team von Martin Galliker. Seine Bobkarriere hatte er zugunsten der Bauführerschule bereits beendet. Doch nach Abschluss zieht es ihn im Herbst 2014 in den Bob zurück. Am Schicksalstag «spielt» er für Tanja spontan den Anschieber.
Kurz nach Tanja Mayers Post folgen am 16. Juni die ersten persönlichen News von Thomas Krieg. Auf der Webseite des Bobclubs Zürichsee: «Thomas Krieg – Rollstuhlsport – Konzept». Krieg schildert seine Situation: «Am 18. Februar hatte ich einen Unfall. Ich zog mir schwere Verletzungen an den Beinen wie auch am Rücken zu.
Die Verletzung am Rücken war leider so schlimm. Es hat mir die Nervenbahnen im Rückenmark zerdrückt und hatte somit eine Lähmung der Beine zur Folge. Zurzeit bin ich noch in der Rehabilitation, werde diese Ende Juni abschliessen und wieder in den Alltag einsteigen.
Ein Leben ohne Sport könnte ich mir nicht vorstellen. Daher werde ich mich auch in meiner neuen Lebenssituation wieder dem Sport widmen. Ich werde Anfang Oktober im Trainingscamp in Nottwil verschiedene Sportarten ausprobieren. Zurzeit bevorzuge ich die Leichtathletik. Voraussetzung dafür ist, dass ich mein Knie um 130 Grad biegen kann. Wegen der Frakturen ist das noch nicht möglich.»
BLICK-Leser können Thomas helfen. Der Bobclub Zürichsee (www.bczs.ch) sammelt Geld für einen Rennrollstuhl. Das wäre auch Balsam für die traumatisierte Tanja Mayer.