In dieser Jahreszeit neigt man zur Melancholie. November-Blues nennt sich das. Mit Bedauern und leicht wehmütig nimmt man dann all die Rücktritte zur Kenntnis, die einem in diesen Tagen um die kalten Ohren flattern. Auch das noch!
Wie ein einst grünes und jetzt welk gewordenes Blättli ist beispielsweise Balthasar Glättli in diesem politischen Herbststurm vom Baum gesegelt. Man muss kein Grüner sein, um den Präsidenten der Öko-Partei zu mögen. Seine Leidenschaft und seine lausbubenhafte Begeisterung für eine grosse Sache waren immer zu spüren. Authentisch, glaubwürdig und für einen Politiker wohltuend uneitel steht er jetzt im Stil eines Fussballtrainers hin und sagt: «Ich bin das Gesicht dieser Wahlniederlage.» Und tritt zurück.
Das tut auch Urs Fischer, der mit seiner unaufgeregten Bodenständigkeit bei Union Berlin ein Fussballmärchen geschrieben hat. Und in den letzten Jahren der beste Schweizer Botschafter in Deutschland war. Wo Fischer draufsteht, ist auch Fischer drin. Nüchtern, korrekt, ein Schweizer Chefbeamter. Auch in den Phasen, als man ihn am liebsten mit der Sänfte durch Berlin getragen hätte.
Die Guten gehen freiwillig
Und er bleibt sich in der bitteren Stunde der Trennung treu und tritt im Dienst der Sache ab. Weil auch er zum Gesicht der Niederlagen geworden ist. Beklagen tut sich Fischer nicht. Mit seinem Realismus kennt er die Gesetzmässigkeiten des Geschäfts. Die gelten mittlerweile auch für Union Berlin, einen Klub, der «anders» sein möchte und von vielen Romantikern als Trutzburg im immer hemmungsloseren Profifussball gesehen wird. «Manchmal hilft einer Mannschaft ein anderes Gesicht, eine andere Ansprache, um eine Entwicklung auszulösen. Darum wird meine Reise mit euch hier enden», schreibt Fischer den Fans.
November-Blues.
In beiden Fällen ist klar: Die Grünen werden keinen besseren Parteipräsidenten finden und Union Berlin wird keinen besseren Trainer finden. Es ist vielfach so: Die Guten gehen freiwillig, die Schlechten bleiben sitzen.
Murat Yakin das Gesicht der Nati-Baisse
Vom Novembersturm ist auch die Fussball-Nati erfasst. Die teils inferioren Auftritte brauchen auch ein «Gesicht». Und wenn es für eine Talfahrt ein Gesicht braucht, das wissen nicht nur Balthasar Glättli und Urs Fischer, dann trifft es den Mann in der Verantwortung. Murat Yakin, grundsätzlich souverän und sympathisch wie Glättli und Fischer, wird in diesem Herbststurm auch durcheinandergewirbelt und wird mittelfristig nicht mehr das Gesicht der Nationalmannschaft sein können.
Immerhin: Auch im November-Blues ist gewiss, dass es spätestens im Frühling wieder eine Aufbruchstimmung gibt. Grün wie die Hoffnung wird es dann spriessen. Dann sucht man nicht nur Gesichter für die Niederlage. Sondern Gesichter für den Aufbruch.
Und dann wird Urs Fischer bei der Nationalmannschaft plötzlich das Gesicht des Aufbruchs. Und macht Balthasar Glättli zum Assistenztrainer.
Der würde in die Fussstapfen von einem gewissen Heinrich Glättli treten. Der war Assistent von Daniel Jeandupeux, als der FC Zürich 1981 Meister geworden ist.