Technik-Student, Legenden-Sohn und eine Schweizer Uhr
Das sind unsere Silber-Helden im Kunstturnen

Die Schweizer Kunstturner schreiben Geschichte: Bei den Europameisterschaften holen sie sensationell Silber im Teamwettkampf – so stark war die Schweiz noch nie. Doch wer sind unsere EM-Helden?
Publiziert: 29.05.2025 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2025 um 09:52 Uhr
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Der Routinier: Noe Seifert.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Schweizer Kunstturner gewinnen Silber bei EM. Bestes Ergebnis aller Zeiten
  • Team zeichnet sich durch starken Zusammenhalt und unterschiedliche Persönlichkeiten aus
  • Fünf Turner im Alter von 20 bis 26 Jahren bilden das erfolgreiche Team
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Mit einer Silbermedaille im Teamwettbewerb an der Kunstturn-EM in Leipzig (D) schreiben die Schweizer Geschichte: Es ist das beste Ergebnis einer Schweizer Mannschaft aller Zeiten und nach Bronze vor neun Jahren die zweite Medaille überhaupt. Doch wer sind unsere EM-Helden?

Noe Seifert – die Stütze

Mit 26 Jahren sowie Olympia-, WM- und EM-Erfahrung ist Noe Seifert der Routinier im Team. «Mit seinem Selbstvertrauen und seiner Erfahrung hilft er dem Team enorm und kann seine Kollegen mitreissen und stützen», sagt David Huser, Chef Leistungssport beim STV. 

Dabei ist Seifert ein Spätzünder. Mit 13 trainierte er zwar schon im Leistungszentrum Magglingen, während seiner Juniorenzeit durfte er aber nur einen einzigen internationalen Titelkampf bestreiten – die Junioren EM 2016. «Es war schon lange klar, dass er ein grosses Potenzial hat», erklärt Huser. Er habe einfach ein wenig Zeit gebraucht, um stabiler zu werden. Dies hat aber auch damit zu tun, dass er in seinen Elementen einen hohen Schwierigkeitsgrad turnt. Da ist das Risiko für einen Sturz höher. Doch spätestens seit seinem fünften Rang im Mehrkampf an der EM 2023 weiss der Aargauer, wie er sein Potenzial voll ausschöpfen kann.

Was das Team zusätzlich auszeichnet, ist der starke Zusammenhalt. Alle kennen sich seit Jahren, die Chemie stimmt – und auch menschlich harmonieren sie bestens. Auch die Persönlichkeiten im Team passen gut zusammen. «Auf den Sport bezogen sind das alles sehr ruhige Typen» – und genau das macht sie stark. 

Luca Giubellini – Power mit Lockerheit

«Luca ist etwas lockerer und auch mal für einen Spass zu haben», sagt Huser über Luca Giubellini. Der Gerätespezialist (Boden, Sprung und Pauschenpferd) will in die grossen Fussstapfen seines Vaters Daniel treten. Dieser sicherte sich an der Heim-EM 1990 in Lausanne die Goldmedaille am Barren. In Folge wurde er zum Schweizer Sportler des Jahres gekürt. 1992 nahm er an den Olympischen Spielen in Barcelona teil.

Das tat ihm sein Sohn im letzten Sommer gleich: Zusammen mit seinem Bruder wurde der 22-Jährige siebter im Teamwettbewerb bei den Olympischen Spielen in Paris. Wenn der Aargauer ans Gerät geht, ist eines sicher: Er turnt mit voller Power.

Matteo Giubellini – der Elegante

Hier unterscheiden sich die Brüder, die sonst sehr ähnlich sind. «Matteo ist der Mehrkämpfer. Der filigrane, elegante Turner», beschreibt Leistungssport-Chef Huser den 20-Jährigen. Vor zwei Jahren wurde er ins Nationalkader aufgenommen, ein Jahr nach seinem älteren Bruder. Aktuell wohnen beide in Magglingen.

Trotz ihrer unterschiedlichen Stile treten die Brüder oft gemeinsam auf – nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Alltag. «Sie haben es sehr, sehr gut miteinander», sagt Huser. Durch das tägliche gemeinsame Training seien die beiden sehr eng. «Sie gehen sehr professionell damit um», betont der Boss.

Ian Raubal – der Mann aus Übersee

Für Ian Raubal ist es die erste Teilnahme an einem Grossanlass – und das unter besonderen Umständen. Der 23-Jährige ist der Einzige im Team, der nicht im nationalen Leistungszentrum Magglingen trainiert, sondern am anderen Ende der Welt: in den USA. Dort studiert er seit drei Jahren biomedizinische Technik an der Pennsylvania State University. «Es gibt ein Leben nach dem Turnen», begründet Raubal gegenüber SRF seine Entscheidung für das Sportstipendium in den Vereinigten Staaten.

Während der Weg über eine US-Universität in Sportarten wie Schwimmen für Schweizer Athletinnen und Athleten keine Seltenheit ist, stellt er im Kunstturnen eine Ausnahme dar. Entsprechend musste Raubal sich mit Vertretern des STV erst noch zusammensitzen und darüber sprechen, wie dieser Fall gehandhabt wird.

«Ian ist ein sehr guter Kommunikator und hat einen dadurch engen Kontakt mit dem Trainerteam», sagt Huser. Da er in den USA trainiert, hat er regelmässigen Austausch per Video-Call. «Seine EM-Selektion fand darum auch digital per Video statt.»

Zum Team pflegt der Schweizer einen regen Kontakt. In den Semesterferien komme er jeweils in die Schweiz und in einem Jahr wird er voraussichtlich seinen Bachelor absolviert haben und dauerhaft in die Schweiz zurückkehren.

Florian Langenegger – die Schweizer Uhr

Auch Florian Langenegger studiert neben dem Spitzensport. Der 22-Jährige macht an der Fernfachhochschule seinen Bachelor in Betriebsökonomie. «Es ist sicherlich eine grosse Belastung, weil der Trainingsumfang im Allgemeinen sehr hoch ist», erklärt Leistungssport-Chef Huser. Dank der Flexibilität des Fernstudiums und diversen Vorträgen, die man online nachschauen kann, ist die Doppelbelastung aber machbar.

Und Disziplin ist genau das, was den Aargauer auszeichnet: «Florian ist sehr diszipliniert. Er ist der ‹Iceman›, das hat man schon in Paris gesehen.» An den Olympischen Spielen wurde der Bodenspezialist 16. im Mehrkampf. An seinen Wettkämpfen sind seine Trainer immer sehr ruhig. Es gebe keinen Grund, nervös zu sein: «Du weisst genau, was du im Wettkampf bekommst.» Huser fügt hinzu: «Wie eine Schweizer Uhr: zuverlässig.»

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