Das Tennis-Jahr beginnt verheissungsvoll für Leonie Küng. In Thailand spielt sie sich an ihrem erst zweiten WTA-Turnier überhaupt bis in den Final. Die Probleme von 2019, als sie mit Drüsenfieber und einer Borreliose-Infektion kämpfte, sind vergessen. Trotz des verlorenen Endspiels stösst sie unter die Top 200 der Welt vor. Die erste Grand-Slam-Teilnahme bei den Profis ist nur noch eine Frage der Zeit. Bis das Coronavirus die Welt und damit auch den Tennis-Kalender auf den Kopf stellt.
«Die Wimbledon-Absage schmerzt am meisten, weil ich da vor zwei Jahren im Juniorinnen-Final stand und so gerne bei den Grossen gespielt hätte», sagt Küng. Anstatt auf der grossen Tennisbühne werden nun die Bälle halt gegen die heimische Hausmauer gedroschen.
«Das Schwierigste ist die Ungewissheit und keinen Zeithorizont zu haben», sagt Küng über die Zwangspause. «Manchmal bin etwas down und frage ich mich, wieso ich das mache. Da hilft mein Umfeld enorm.» Ihr Umfeld besteht zu Corona-Zeiten mehr denn je aus Mutter Angelika und Vater Martin, die sie auch sonst als Betreuerin und Trainer an die Turniere begleiten. «Alle haben weniger Stress und sind lockerer, als wenn wir ständig unterwegs sind. Die Gefahr eines Lagerkollers besteht deshalb nicht», verrät Leonie Küng.
Videostudium mit Federer
Die Schaffhauserin nutzt die tennisfreie Zeit, um an ihrer Fitness zu arbeiten. «Aufgrund meiner Erkrankung habe ich physisch noch einige Schwächen, vor allem bei der Rumpf- und Hintern-Muskulatur.» Per Videostudium wird zudem an der Technik gefeilt. Von Federers Vorhand bis zu Djokovics Return versucht sich Küng bei allen etwas abzuschauen. «Die Weltbesten machen bei ihren Schlägen vieles ähnlich. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich irgendwann Rogers Vorhand habe», sagt sie.
Küngs Chancen auf ihr Jahresziel, die Qualifikation fürs Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, schätzt sie als «fifty-fifty» ein. «Ob die US Open überhaupt gespielt werden, ist angesichts der Lage in den USA ungewiss.» Und für die French Open werde diskutiert, ob die Quali gestrichen werden soll. Als aktuelle Weltnummer 155 wäre Küng in Paris in diesem Fall nicht dabei. Sie hadert aber nicht mit ihrer Situation. «Die Krankheit letztes Jahr hat mich vieles gelehrt. Auch, wie man solche Krisen bewältigt.»