Zwei Mal triumphierte Novak Djokovic (29) in New York, drei Mal in Wimbledon, vier Mal in Melbourne, vier Mal bei den World Tour Finals und sogar fünf Mal in Melbourne, seit er vor fünf Jahren erstmals den Tennis-Thron bestieg und die Regentschaft von Roger Federer und Rafael Nadal beendete. Doch Paris ist für ihn bis heute eine uneinnehmbare Bastion geblieben. Heute fehlt ihm im Final gegen den Schotten Andy Murray (29) bereits zum vierten Mal nur noch einen Sieg.
Setzt sich der Serbe durch, ist er nach Andre Agassi 1999, Roger Federer 2009 und Rafael Nadal vor sechs Jahren erst der vierte Spieler der Geschichte, der alle vier Grand-Slam-Turniere mindestens einmal gewonnen hat. Er wäre dann auch gleichzeitig bei allen Major-Turnieren Titelhalter. Ein Kunststück, das selbst Federer und Nadal verwehrt blieb. Nur Rod Laver, der am Freitag in Paris für sein Lebenswerk geehrt wurde, hat das geschafft – der Australier sogar zwei Mal innerhalb eines Kalenderjahres.
Vor einem Jahr wurde Paris zum Schauplatz Djokovics vielleicht grösster Niederlage, als er erst im Viertelfinal Rekordsieger Nadal (9 Titel) an dessen 29. Geburtstag besiegte, im Final aber Stan Wawrinka unterlag. Trotzdem sprach Djokovic danach vom emotionalsten Moment seiner Karriere, weil ihn das französische Publikum, das seit jeher eine Affinität zu zweiten Siegern auszeichnet, mit stehenden Ovationen verabschiedete.
«Ich habe mich in die Position gebracht, in der ich seit der Niederlage im letzten Jahr sein wollte», sagt der Serbe, der wegen des Regens der letzten Woche an drei Tagen in Folge spielen musste. Weil der Druck auf Djokovic erneut riesig ist und Murray gegen Wawrinka eine blitzsaubere Leistung zeigte, glaubt John McEnroe, dass der Schotte «eine grosse Chance» hat.
Djokovic führt gegen Murray zwar mit 23:10-Siegen, mit 7:2 in Grand-Slam-Partien. Allerdings ist der Schotte einer von nur vier Spielern, die ihn in den letzten zwölf Monaten bezwingen konnten. Vor drei Wochen setzte sich Murray im Final des Sandturniers von Rom in zwei Sätzen durch. Murray steht als erster Brite seit Bunny Austin 1937 im Final der French Open, gewonnen hat an der Port d'Auteil bisher nur ein Landsmann – Fred Perry 1935. Auch für Murray ist es also ein Rendez-Vous mit der Geschichte.
«Wir haben zum ersten Mal gegeinenander gespielt, als wir elf Jahre alt waren. Dass wir dereinst um die grössten Trophäen spielen werden, hätten wir uns damals nicht erträumt», sagt Djokovic. Nun geht es nicht nur um die Trophäe, sondern auch um einen Eintrag in die Tennis-Geschichte.