Vor genau zehn Jahren sorgte Roger Federer am 6. Juli für das bis heute grösste Spiel aller Tenniszeiten. Der Gegner war Rafael Nadal – der Sieger hiess ebenfalls Nadal. Nach einem epischen Fünfsätzer konnte der Schweizer im Dämmerlicht seine Siegesserie von damals sechs Wimbledon-Titeln nicht fortsetzen.
An diesem 6. Juni 2018 ist alles anders. Roger steht zwar wieder – oder besser noch immer – auf dem heiligen Rasen des Centre Court, aber der Gegner ist Jan-Lennard Struff, aktuell die Nummer 64 der Welt. Und der Sieger heisst diesmal auch Federer. Er behält damit die Möglichkeit, seinen Titel zu verteidigen. Es wäre der nunmehr neunte für den Schweizer Rekord-Champion...
Was der bald 37-Jährige in seinem Wohnzimmer zustande bringt, ist einmal mehr beeindruckend und souverän. Von aussen betrachtet ist es bereits seine dritte Wohlfühlpartie in dieser Woche. Das erste Break gegen Struff gelingt zum 4:2 – nach 24 Minuten ist Satz 1 mit 6:3 vorbei.
Im zweiten Durchgang steigert sich der 1,96m-lange Sauerländer, bringt seine starken Aufschläge bis zum 5:5 gut durch. Doch dann, als würde er erst in den wichtigen Momenten den nötigen Zahn zulegen, schnappt sich Roger erneut das Break und schliesst ab mit 7:5.
Keinen Breakball zugelassen
Satz 3 entscheidet er schon früher vor. Mit einem seltsamen Netzball, an dem Struff glatt vorbeischlägt, fällt das fatale Break zum 2:1. Da hatte Boris Becker seinem Landsmann zu viel zugetraut oder Federer unterschätzt, als er sagte: «Er kann ihn mit seinem Spiel ärgern. Er kann ihm einen Satz oder mehr abnehmen.» Nichts dergleichen: Roger lässt sich die Führung nicht mehr nehmen, nimmt seinem Gegner erneut einen Aufschlag ab und beendet das Match nach 1:34 Stunden mit einem Ass zum 6:2.
Roger sagt nach dem Quickie: «So schnell durchzukommen, ist genau, was ich gehofft habe. Nach den neun Matches in Stuttgart und Halle war ich müde – auch wenn ich nicht viel davon gesprochen habe. Aber hier auf diesem Rasen fühle ich mich eben auch viel wohler. Diese erste Woche in Wimbledon war wunderbar, ich konnte Energie sparen, sogar noch auf die Seite legen. Jetzt habe ich noch ein freies Wochenende vor mir – besser könnte es für mich kaum laufen. Bis jetzt fühlt es sich tatsächlich ähnlich an wie letztes Jahr.»
Spannung kommt in dieser Drittrunden-Partie, bei der Federer selbst nicht einen Breakball abwehren muss, nicht auf. Dafür wächst im «All England Club» die Bewunderung für den Rasenkönig, dem der Sieg dieser Chamionships entsprechend immer mehr erneut zugetraut wird.
Zwischendurch wagt Federer sogar einen «Sabre» – den Angriff an der T-Linie beim Return: «Den vergesse ich manchmal ein bisschen. Ich kann ihn ja auch schlecht trainieren. Bin happy, dass ich ihn wieder mal probiert habe und dass er auch noch gelang! Offensichtlich habe ich immer noch Möglichkeiten, und kann für etwas Unterhaltung sorgen.»
Federer freut sich auf den Grill
Wer soll Roger auf dem Weg in den Final stoppen? Etwa Linkshänder Adrian Mannarino (ATP 26)? Alle fünf Duelle gegen den Franzosen hat er gewonnen, nur einmal – bei den letzten Swiss Indoors in Basel – gab er einen Satz ab. Federer: «Es war gut, sehr unterschiedliche Gegner in dieser Woche zu haben. Der nächste ist ein Leftie - es wird ein sehr strategischer Match und er wird besser retournieren als die Vorgänger. Ich nehme jetzt morgen erst einmal frei, am Sonntag trainiere ich für den Achtelfinal.»
Zur Belohnung gönnt sich Roger heute Abend noch ein gemütliches Barbeque im Garten seiner gemieteten Villa in der Nähe: «Heute gibts Grill! Wir haben ein paar Würste aus der Schweiz mitgenommen. Ich freue mich!»