Die beiden ATP-Finals-Neulinge Daniil Medwedew und Stefanos Tsitsipas verkörpern in London die aufstrebende Spielergeneration. Dazu versprechen sie auch durch ihre Charaktere beste Unterhaltung. Allen voran der Moskauer Medwedew, der diese Woche Roger Federer von Rang 3 der Weltrangliste verdrängen könnte. Nicht nur wegen der Spielintelligenz des mathematisch angeblich hochbegabten, begeisterten Schachspielers, oder dessen speziellem Spielstil. Auch wegen seines Temperaments, das beim brav aussehenden und privat eher ruhigen 23-Jährigen auf dem Court ausbricht.
Kampf gegen die inneren Dämonen
«Ich arbeite seit einigen Monaten mit einem Mentalcoach», bestätigt Medwedew. Ähnlich wie Federer habe er sich in Jugendjahren oft unmöglich benommen, noch heute würden die Dämonen auf dem Platz aus ihm herausbrechen. Manchmal könne er dadurch auch positive Energien freisetzen – so gesehen bei den US Open, als er das Publikum gegen sich aufhetzte, ihm später aber für die Buhrufe dankte. Sie hätten ihm Kraft bis zum Fünfsatz-Final gegen Rafael Nadal gegeben. «Aber auf dem Terrain hilft es mehr, wenn man die Kontrolle behält», weiss Medwedew heute. «Ich will mich nicht mehr selbst schlagen.»
Nun, gestern schlägt ihn der zwei Jahre jüngere Stefanos Tsitsipas (7:6, 6:4). Erstmals, nach fünf Siegen für den Russen. Ausgerechnet dieser wilde Grieche, der Medwedew seit einem Streit 2018 in Miami ein Dorn im Auge ist. «Unsere Chemie ist nicht die beste», bestätigt Tsitsipas, «wir gehen nicht miteinander essen, aber man kann ja nicht alle mögen.» In Shanghai nörgelte er nach dem Out gegen den späteren Turniersieger an dessen «langweiligen Stil» herum. Medwedew nannte seinen Kritiker darauf «kindisch». «Seit ich von dieser lächerlichen Laver-Cup-Feier gehört habe, wo Stefanos angeblich gezwungen wurde, Alkohol zu trinken, kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen.»
Sollte er aber, wie das gestrige Resultat zeigt.